
Bild: Suhrkamp Verlag
Köstlicher Wein und Käse, ein Sinn für Mode und gute Kunst – diese Klischees werden mit Frankreich verbunden. Im Sommer lautet auch für viele Deutsche die Losung: Weg von der Schwere und Ernsthaftigkeit des Arbeitsalltags und schnell über den Rhein, wo man die joie de vivre noch nicht verloren hat. Fort von den Härten des Kapitalismus, die die „Wirtschaftsmacht“ Deutschland fest im Griff haben, hin zu einer Kultur, die nicht so recht zum Profitmachen passen mag.
Dass diese Erzählung konstruiert ist und auch in Frankreich der Kapitalismus regiert, wird kaum jemanden verwundern. Dass aber ein solch klischeebehaftetes Narrativ von einem Land mit vermeintlich authentischem Bezug zu seiner Tradition, seinen Regionen und seinen lokalen Erzeugnissen Teil einer grundlegenden Transformation westlicher Gesellschaften hin zu einer Bereicherungsökonomiesein soll, überrascht dann doch. Genau das aber behaupten die Soziologen Luc Boltanski und Arnaud Esquerre in ihrem neuen Buch „Bereicherung. Eine Kritik der Ware“. Esquerre und Boltanski – letzterer wurde international vor allem durch sein gemeinsam mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Ève Chiapello verfasstes Werk „Der neue Geist des Kapitalismus“ bekannt – vertreten die These, dass sich in den Ländern Westeuropas infolge der Deindustrialisierung eine neuartige Ökonomie herausgebildet hat.