Ausgabe September 2018

Wider die digitale Technokratie

Die verborgene Macht der Algorithmen, Teil II

2012 erschoss ein gewisser George Zimmerman in Florida den Teenager Trayvon Martin. Er erklärte, in Notwehr gehandelt zu haben, und berief sich auf eine „Stand your ground“ genannte Gesetzesklausel. Ich habe nicht etwa vor, hier in Europa die amerikanischen Waffengesetze zu rechtfertigen. In Florida allerdings löst die Kontroverse um Waffenbesitz zum Selbstschutz vor Einbrechern oder anderen Kriminellen erhebliche Gefühlswallungen aus. So auch im Fall Trayvon Martin, der gewaltige Proteste und Debatten über unsere Waffengesetze, unser Rechtswesen und – vielleicht am wichtigsten – darüber anstieß, welchen Wert die amerikanische Gesellschaft eigentlich dem Leben von Schwarzen beimisst.

Damit komme ich zum achten Schritt meiner Annäherung an die Macht der Algorithmen, er steht unter der Überschrift „Rote Pillen“: Die wenigsten amerikanischen Teenager beachten Nachrichtensendungen, aber die Namen George Zimmerman und Trayvon Martin waren damals allgegenwärtig. Um herauszufinden, worum es bei der ganzen Aufregung ging, beschloss ein Teenager namens Dylann Roof in South Carolina, die beiden Namen zu googeln. Er stieß auf den Wikipedia-Eintrag, der in einer trockenen Sprache, die neutral erscheinen sollte, die Umstände des Falles beschrieb. Aus diesem Eintrag schloss Roof, dass Zimmerman eindeutig im Recht war, und verstand nicht, was an der Sache so problematisch sein sollte.

Sie haben etwa 6% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 94% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Gegen den Digitalzwang: Das Recht auf analoges Leben

von Leena Simon, Rena Tangens

In vielen Saunen gilt das Prinzip digital detox – digitale Entgiftung. Elektronische Geräte wie Smartphones, Tablets oder Computer sind dort nicht erlaubt, die Menschen sollen sich von deren übermäßiger Nutzung erholen. Was in den meisten Saunen normal ist, wird in der Außenwelt jedoch immer schwieriger.

Der maskierte Raub

von Naomi Klein

In der vielschichtigen Debatte über die schnelle Verbreitung von Künstlicher Intelligenz (KI) gibt es eine vergleichsweise obskure Auseinandersetzung um die „KI-Halluzinationen“. Auf diesen Begriff haben sich die Architekten und Förderer der generativen KI geeinigt, um Antworten von Chatbots zu bezeichnen, die völlig erfunden oder einfach falsch sind.