Ausgabe Juni 2019

Du glückliches Österreich!

Bild: imago images / Eibner Europa

Tu felix Austria: Eine Regierung fällt in einer Nacht. Am Freitag, den 17. Mai, brannte Österreich, so wie es Jan Böhmermann prophezeit hatte. Und ebenfalls in dieser Nacht verbrannte die konservative Lebenslüge von der Demokratie- und Regierungsfähigkeit der Rechten. 

Im Österreich der letzten eineinhalb Jahre wurden Journalisten eingeschüchtert, die basalsten Grundrechte der Verfassung angezweifelt, hunderte rechte Skandale als Lappalie abgetan, Ausländer entmenschlicht, die Linke dämonisiert, die Justiz angegriffen, Arbeitervertretungen massiv unter Druck gesetzt und industrielle Profitinteressen über alles gestellt. All diese Fakten lösten jedoch keinen Rücktritt, keine breite, der ÖVP-FPÖ-Regierung wirklich gefährlich werdende Protestwelle und keine nationale Empörung aus, sondern sie bescherten der Regierung im Gegenteil viel Sympathie. Allein internationaler Druck sorgte für den Fall dieser Regierung, zum Glück für Austria. Zum einen, weil die Kooperation wie im Fall des deutschen Verfassungsschutzes öffentlich aufgekündigt wurde, zum anderen, weil Sebastian Kurz‘ internationale Ambitionen erstmals gefährdet waren. 

Der Rückzug von „HC“ Strache wie der FPÖ aus der Regierung mag die nationale Politiklandschaft verändern, doch die strukturellen Zusammenhänge, gesellschaftlichen Tendenzen und wirtschaftlichen Kooperationen, die all dies hervorbrachten, bleiben bestehen. Und weiter gilt: Nichts ist so mächtig wie ein plausibles Narrativ. Im Zeitalter der existenziellen atomaren und klimatischen Bedrohungen erklärte die europäische Rechte das Jahr 2015 zum Vorboten der Apokalypse. Das Jahr, in dem „gefährliche Massen“ in „illegaler Manier“ das „Land fluteten“ und so die „Impotenz“ der „alten Politik“ offenlegten. Und die Rechte hatte Erfolg damit: Alle politischen Lager folgten dieser Erzählung und machten so ihre Urheber von hasserfüllten Hetzern zu weisen Propheten. 

Ein Skandal hat diese Regierung gesprengt, aber die Bevölkerung glaubt immer noch dasselbe – nämlich an die Notwendigkeit einer Politik der harten Hand. Diese teils radikalisierte, teils verrohte und schwer polarisierte Gesellschaft muss dringend entschärft werden. Das aber kann nur gelingen, wenn wir – in Österreich wie „im Rest“ Europas – die nahe Vergangenheit neu bewerten und damit den alt-neuen Feindbildern den Garaus machen. 

Wenn die Linke den rechten Paradigmenwechsel bekämpfen will, dann muss sie bei den Ereignissen von 2015 anfangen. Die humanitäre Katastrophe zu verhindern, die Ungarns Premier sehenden Auges ausgelöst hatte, war das Ziel der offenen Grenzen. Die „gefährlichen Massen“ waren überwiegend Flüchtlinge des blutigsten Krieges der Gegenwart. Die Rechtsgrundlage war die Charta der Menschenrechte.

Ja, der partielle staatliche Kontrollverlust im Jahre 2015 lässt sich nicht leugnen. Aber er wurde ausgelöst von einer rechtskonservativen Insellogik, einer Politik der Passivität und Blindheit. Europa war völlig unvorbereitet auf das Absehbare, dass der syrische Krieg und die Unterfinanzierung internationaler Hilfsorganisationen Flucht- und Migrationsbewegungen auslösen würden. Die Impotenz der Politik war die Folge mangelnder konservativer Voraussicht in den Vorjahren. Das gilt es zu begreifen, damit die Rechte im Lande nicht schon bald wieder aufersteht. 

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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