
Bild: Hanser Berlin
Die Philosophin Susan Neiman hat ein Buch zur Geschichte der Gegenwart geschrieben, das von hoher, ja brennender Aktualität ist – buchstäblich.
„Von den Deutschen lernen“ ist vieles zugleich: eine Auseinandersetzung mit verbrecherischer nationaler Vergangenheit und postheroischem Heldentum, eine stereoskopische Analyse der unterschiedlichen Erinnerungskulturen in Deutschland und den USA, aber auch ein Reisebericht durch die Landschaften und Orte der Erinnerung. Alles autobiographisch – und unterfüttert mit zahlreichen Beispielen teilnehmender Beobachtung.
Neiman, eine Kantianerin und Rawls-Schülerin, lebt seit mehr als einem Vierteljahrhundert in Berlin und ist seit dem Jahr 2000 Direktorin des Potsdamer Einstein Forums. Prägend war für sie die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre in Georgia, wo sie aufwuchs. In ihrem Buch hält sie der US-amerikanischen Gesellschaft ihrer Jugend nun den Spiegel der deutschen Gesellschaft ihres Erwachsenenalters vor: Was lässt sich von der „Vergangenheitsaufarbeitung“, dem working-off-the-past, für die Erinnerung an die Sklaverei ableiten? Was ist überhaupt verallgemeinerbar am Umgang der Deutschen mit dem Bösen in ihrer Geschichte?
Die Deutschen sahen sich nach dem Zweiten Weltkrieg selbst als Opfer von Krieg und Besatzung, bis die ins Studienalter gekommenen Kinder der NS-Generation ihren Eltern unangenehme Fragen zu stellen begannen – 1968.