
Bild: Kundgebung von Reichsbürgern vor dem Reichstagsgebäude in Berlin, 15.8.2020 (IMAGO / Rolf Zöllner)
Als die Polizei im Dezember des vergangenen Jahres die Putschpläne einer Gruppierung von Reichsbürgern durch die Festnahme von 25 Personen vereiteln konnte, rieben sich viele Bundesbürger die Augen. Wer waren diese Möchtegernumstürzler? Die Aufmerksamkeit der hiesigen Medien lag vor allem auf der Führungsrolle des ominösen Heinrich XIII. Prinz Reuß. Zudem war stets von einer „Reichsbürger-Bewegung“ die Rede, die nach dem Vorbild des „Deutschen Reichs“ einen neuen Staat anstelle der von ihnen als illegitim betrachteten Bundesrepublik errichten wollte. Diese Fokussierung war durchaus verständlich, waren doch die Flaggen des Kaiserreichs bereits während der versuchten Stürmung des Reichstags im August 2020 und bei vielen Querdenker-Demos im Zuge der Proteste gegen die Coronamaßnahmen präsent gewesen.[1]
Allerdings handelt sich bei den Reichsbürgern mitnichten um eine kohärente Bewegung (zumal es nicht nur einen, sondern reichlich Anwärter auf die Führungsrolle gibt, etwa den selbsterklärten „Reichsbürgerkönig“ Peter Fitzek). Letztlich haben wir es eher mit einer äußerst heterogenen Szene mit ganz unterschiedlich motivierten Einzelakteuren zu tun. Und so wichtig nationale Mythen für die „rechten Systemsprenger“ (Thomas Assheuer)[2] sind: Die enorme internationale Präsenz antistaatlicher Bestrebungen zeigt, dass der Mythos des Kaiserreichs nur eine spezifisch deutsche Variante eines viel weiter verbreiteten Denkens ist.