
Bild: Ein Fahrradlieferant in Düsseldorf, 17.12.2022 (IMAGO / Michael Gstettenbauer)
Der Gegenwind aus dem Arbeitgeberlager war massiv, doch im November 2022 trat die EU-Mindestlohnrichtlinie aller Lobbyarbeit zum Trotz in Kraft. Innerhalb der nächsten zwei Jahre muss sie nun in nationales Recht umgesetzt werden.[1] Auch wenn damit weder ein einheitlicher europäischer Mindestlohn einhergeht noch in den Mitgliedsländern zwingend ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden muss, ist dieser Beschluss bemerkenswert. Denn erstmals in der Geschichte der Europäischen Union werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, die herrschende Lohnungleichheit wirksam zu verringern.[2]
Gemäß der Richtlinie müssen diejenigen Mitgliedstaaten, die bereits über gesetzliche Mindestlöhne verfügen, Verfahren für deren Festlegung und Anpassung an die Preisentwicklung schaffen. Bislang gilt in 22 von 27 EU-Staaten ein gesetzlicher Mindestlohn. In Dänemark, Finnland, Schweden, Italien und Österreich hingegen wird die Lohnhöhe durch Tarifverhandlungen festgelegt. Insbesondere Dänemark und Schweden bestanden darauf, ihr hohes tarifliches Lohnniveau zu sichern, das sie durch einen Systemwechsel hin zu europaweit vorgegebenen gesetzlichen Mindestlöhnen bedroht sahen. Deshalb werden in der Neuregelung auch tarifliche Lohnuntergrenzen anerkannt. Zudem schließt die in der Richtlinie festgeschriebene verpflichtende Aufwärtskonvergenz bei den Mindestlöhnen die Gefahr von sinkenden Sozialstandards definitiv aus.