Wie die Neuaufstellung der Bundeswehr gelingen kann

Bild: Boris Pistorius bei einem Besuch auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow, 26.01.2023 (IMAGO / photothek / Florian Gaertner)
Mit Blick auf die vor bald einem Jahr verkündete „Zeitenwende“ drängt sich eine tragische Ironie auf: Mit dem Beginn des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine wurde die Koalition, die sich dem Fortschritt verschrieben hat, gleichsam über Nacht zum Offenbarungseid gezwungen. Der erfolgt nun auf Raten. Die letzte Rate lieferte der Rücktritt der Verteidigungsministerin. Die Koalition ist nicht zu beneiden; vor allem der neue Verteidigungsminister darf nun die Suppe auslöffeln, die seine Vorgänger der verschiedenen Parteien – zum Teil identisch mit den derzeit Regierenden – in den letzten dreißig Jahren angerührt, aufgetischt und dann haben erkalten lassen. Das am 27. Februar 2022 verkündete 100 Mrd. schwere „Sondervermögen für die Bundeswehr“ glich insofern einem Griff nach der Notbremse.
Die knappe Äußerung des Vorsitzenden des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, Oberst André Wüstner, fasst die immer noch aktuelle Lage zusammen – die Bundeswehr befindet sich „im freien Fall“.[1] Das gilt für so ziemlich alles: die veralteten und reparaturanfälligen Waffensysteme, die nicht einsatzbereiten Neuanschaffungen, die langwierigen und fehlerbehafteten Beschaffungsprozesse, dysfunktionale Strukturen und Prozesse, den disproportionalen Personalkörper, unbesetzte Stellen, drängende Nachwuchsprobleme und nicht zuletzt das Fehlen einer leistungsfähigen, europäisch vernetzten Rüstungsindustrie.