
Bild: Ika Sperling, Der große Rest, Cover: Reprodukt
Was bedeutet es, einen geliebten Menschen an Verschwörungsideologien zu verlieren? Dieser Frage – und explizit nicht den Ideologien selbst – widmet sich Ika Sperling in ihrem autofiktionalen Comic „Der Große Reset“. Dazu nutzt sie zwei Kunstgriffe: Erstens komprimiert sie die Handlung auf einen dreitägigen Kurzbesuch der Protagonistin – erkennbar die Künstlerin selbst – in ihrer rheinland-pfälzischen Heimat. Die dargestellte Familie ist fiktional, aber an Sperlings eigene angelehnt, und hat offensichtlich schon lange über das Abdriften des Vaters im Zuge der Coronapandemie gestritten, die inhaltliche Auseinandersetzung aber längst entnervt aufgegeben. Nun wird das Thema peinlichst vermieden.
Sperlings zweiter Kunstgriff ist grafischer Natur: Sie zeichnet die Vaterfigur konsequent nur schemenhaft als eine Art Wasserwesen, das diffus ausläuft. Es gibt also nicht das eine „Leck“, das man stopfen könnte, um dieses Auslaufen zu verhindern –, die Vaterfigur entzieht sich symbolisch dem direkten „rettenden“ Zugriff durch die Familie. Zugleich verkörpert diese unscharf konturierte Figur die Elastizität von Verschwörungsmythen und ihren Vertretern, die auf jegliche gegen sie vorgebrachten Argumente und Fakten mit immer weiteren Wendungen und Ergänzungen reagieren, wie Wasser, das bekanntlich immer seinen Weg findet.