Ausgabe Juli 2024

»Heil Hitler toujours«

Die Pony-Bar auf Sylt. Die Videos von Party-Gästen, die hier rassistische Parolen grölen, gingen viral. (IMAGO / dts Nachrichtenagentur)

Bild: Die Pony-Bar auf Sylt. Die Videos von Party-Gästen, die hier rassistische Parolen grölen, gingen viral. (IMAGO / dts Nachrichtenagentur)

Am Anfang konnte man sich ja fast noch freuen; schließlich hatten die „Schampus-Deppen“ von Sylt mit ihrem „Deutschland, den Deutschen, Ausländer raus“-Gegröle auch noch dem Letzten klargemacht, dass Rassismus kein Problem nur der niederen Stände ist. Außerdem wurde einem in der Folge schlagartig bewusst, dass der inkriminierte Partyhit „L‘Amour toujours“, den man davor gar nicht kannte, längst in weiten Teilen Deutschlands als neue Nazi-Hymne firmiert und als solche schon lange gesungen wird, bevor er mit dem Sylt-Event nun im ganzen Land bekannt wurde. Auch das eine Form der Aufklärung, wenn auch der unangenehmen Art.

Was Sylt aber auch angerichtet hat: Der hier noch skandalisierte Tabubruch ist dadurch richtig salonfähig geworden und hat sich gleichermaßen in einer Weise multipliziert, wie es davor dann doch kaum denkbar gewesen wäre. Oder vielleicht doch, ist das alles nur unserer gesteigerten, sensibilisierten Wahrnehmung geschuldet?

Plötzlich schreit und singt es jedenfalls überall „Ausländer raus“. Die rechte Strategie, das vermeintlich Unsagbare wieder sagbar zu machen, feiert fröhliche Urständ. Tatsächlich scheint die Devise zu lauten: Was die rich kids von Kampen können, können wir schon lange. Kein Stadt- oder Feuerwehrfest, auf dem nicht zu später Stunde das Lied läuft, rassistisch gegrölt und der Hitlergruß gezeigt wird.

Doch nicht genug damit: Längst ist aus dem Wort die Tat geworden.

»Blätter«-Ausgabe 7/2024

Sie haben etwa 39% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 61% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1.00€)
Digitalausgabe kaufen (11.00€)
Druckausgabe kaufen (11.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema Rechtsradikalismus

Patriotische Zivilgesellschaft: Das Vorfeld der AfD

von Sebastian Beer

Alice Weidel war genervt von der Geräuschkulisse während ihres Sommerinterviews Ende Juli in der ARD. Um das Gespräch mit der AfD-Vorsitzenden zu stören, hatten sich Aktivist:innen des Künstlerkollektivs Zentrum für Politische Schönheit unweit des TV-Studios versammelt und Musik abgespielt.