Der Sieg ist ein totaler und geht tiefer, als sich auf den ersten Blick vermuten läßt: Am 3. Oktober, so ein Szenario in der westdeutschen Presse (KSTA v. 18./19.8.1990), wird vor den Kasernen der NVA die bundesdeutsche Flagge aufgezogen. Zur Stunde X fliegen die neuen Befehlshaber unter Führung eines Generalleutnants von der Bonner Hardthöhe nach Strausberg ins Hauptquartier der Volksarmee. Dort werden sie bis 1994 die ehemalige Armee der DDR auf 50 000 Soldaten - Wehrpflichtige, Zeit- und Berufssoldaten zu reduzieren haben, damit die völkerrechtlich festgelegte Obergrenze von 370 000 Mann für die gesamtdeutschen Streitkräfte erreicht werden kann. Das Menschenpotential deutscher Militärs würde sich also innerhalb von fünf Jahren um rund 40% reduzieren. Soweit, so gut.
Doch über diese Zahlen hinaus wird zu den Folgen der Wiedervereinigung für die deutsche Militärmacht auch noch eine Bilanz aufzustellen sein, die weit weniger rosig aussieht: Denn die Bundeswehr, die durch das Ende des Kalten Krieges in einer Sinnkrise steckte, konnte den Niedergang ihres ostdeutschen Komplements dazu nutzen, Zweifel am eigenen Tun zu beseitigen und historische Kontinuitäten der Vergessenheit anheimfallen zu lassen. Missionarischer Eifer packte die westdeutsche Wehrelite in den letzten Monaten: Bundeswehroffiziere sollen dem "NVA-Trott" abhelfen, wie das Verteidigungsministerium verkündet.