Ausgabe März 1991

Eurometrie

Wer von der Europäischen Gemeinschaft erwartet hatte, sie würde in der Golfkrise dem eigenen Anspruch einer "Friedensmacht Europa" gerecht werden, also in Abgrenzung zur Führungsmacht USA selbständige Initiativen zur Verhinderung bzw. mittlerweile zur sofortigen Beendigung des Golfkriegs ergreifen, sieht sich gründlich enttäuscht.

Während allen voran Großbritannien, aber auch Frankreich und Italien militärisch am Krieg beteiligt sind, hält sich Deutschland - auch auf Druck einer unerwartet starken außerparlamentarischen Anti-Kriegs-Bewegung - in der Rolle des Finanziers zurück, ohne allerdings friedenspolitisch aktiv zu werden. Die EG scheint politisch gespalten wie selten zuvor.

Insbesondere die Bundesrepublik ist dem Vorwurf ausgesetzt, als ökonomischer Nutznießer der gegebenen Weltmarktstrukturen die europäische Wirtschaftspolitik diktieren zu wollen, bei der militärischen "Verteidigung" eben dieser Strukturen aber "feige" den Kopf einzuziehen. Schon mehren sich die Stimmen, die - mit Blick auf Deutschland - der erst im Dezember letzten Jahres ernsthaft ins Auge gefaßten Politischen Union Europas wieder eine Absage erteilen.

März 1991

Sie haben etwa 7% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 93% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Verbrecherische Komplizen: Libyen und die EU

von Sigrun Matthiesen, Allison West

Es war ein Tiefpunkt in der Geschichte der Seenotrettung: 20 Minuten lang beschoss am 24. August ein Patrouillenboot der libyschen Küstenwache die Ocean Viking, ein Rettungsschiff der Seenotrettungsorganisation SOS Méditerranée.

Von Milošević zu Trump: Die bosnische Tragödie und der Verrat an den Bürgerrechten

von Sead Husic

Es herrschte keine Freude bei der bosnisch-herzegowinischen Regierungsdelegation am 22. November 1995 auf dem Wright-Patterson-Luftwaffenstützpunkt in Dayton. Eben hatte sie dem Friedensabkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien, die noch aus Serbien und Montenegro bestand, und Kroatien zugestimmt, doch sie fühlte sich betrogen.