Ausgabe September 1992

Vereinheitlichung oder Gerechtigkeit

Umsteuern der deutschen Politik

1. Was "Vereinigungsprozeß" genannt wird, steckt nicht in einer Krise ("Einigungskrise", das klingt fast beruhigend, wie "Wachstumskrise", sowas geht bekanntlich von allein vorüber) - der Prozeß selbst und seine immer noch fälschlich als "Vereinigung" bezeichnete Substanz, das ist die "Krise", jedenfalls ihr Nährboden. Wie sich herausstellt, hat die auf eine möglichst rasche und möglichst restlose Auflösung der Ex-DDR in der (erweiterten) Bundesrepublik gerichtete Politik in eine Sackgasse geführt. Integration als forcierte Verallgemeinerung der Standards des dominierenden Partners, wie sie sich seit der deutschen Währungsunion (Juli 1990) unter dem Titel "Vereinigung" abspielt, ist europaweit zum abschreckenden Exempel geworden - auch im Blick auf "Maastricht" und speziell die westeuropäische Währungsunion nach Bundesbank-Standards.

2. Statt über die Substanz der Krise, über falsifizierte Grundannahmen der Einheitspolitik und über Korrekturmöglichkeiten, streiten Politiker und Medien lieber über Symptome und Schuldzuweisungen. Man prügelt die Überbringer der schlechten Botschaften, statt auf sie zu hören, umzudenken. Aktuelle Beispiele: die z.T.

September 1992

Sie haben etwa 6% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 94% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Patriotische Zivilgesellschaft: Das Vorfeld der AfD

von Sebastian Beer

Alice Weidel war genervt von der Geräuschkulisse während ihres Sommerinterviews Ende Juli in der ARD. Um das Gespräch mit der AfD-Vorsitzenden zu stören, hatten sich Aktivist:innen des Künstlerkollektivs Zentrum für Politische Schönheit unweit des TV-Studios versammelt und Musik abgespielt.