Ausgabe Februar 1993

Pro Asyl: Flüchtlinge schützen! Wir sagen Nein zum Bonner Asylkompromiß (Wortlaut)

Das Grundrecht auf Asyl soll außer Kraft gesetzt werden: Wer über ein Nachbarland einreist, soll zurückgeschickt werden. Nur wer mit einem Direktflug in der Bundesrepublik landet, hat die Chance auf ein Asylverfahren. Wer aus einem angeblichen "Nichtverfolgerland" kommt, auf den wartet ein kurzer Prozeß.

Selbst Gerichte können Verwaltungsentscheidungen kaum noch korrigieren. Unsere Demokratie ist in Gefahr. Der Gewalt von rechts dürfen Grundwerte der Verfassung nicht geopfert werden. Artikel 16 Absatz 11 Satz 2 Grundgesetz "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht" wurde als Konsequenz aus der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft formuliert. Artikel 16 sollte sicherstellen, daß politisch Verfolgte an deutschen Grenzen nicht abgewiesen werden. Das verfassungsrechtlich geschützte Asylgrundrecht hat die internationale Rechtsentwicklung gefördert.

Das Asylrecht ist ein Menschenrecht. Eine notwendige europäische Harmonisierung des Asylrechts muß dieses Menschenrecht zum Maßstab nehmen. Die vorgesehenen Änderungen des Asylgrundrechts sollen nun dieses Menschenrecht beschränken. Das wäre ein Rückschritt gegenüber unserer Geschichte. Unser Land hat sich auf die weitere Aufnahme von Asylsuchenden, Ausländern und Aussiedlern vorzubereiten.

Asylverfahren müssen zügig, aber rechtsstaatlich einwandfrei durchgeführt, Bürgerkriegs- und Kriegsflüchtlinge europaweit aufgenommen, Programme zur Beseitigung von Fluchtursachen durchgesetzt und Integrationsmaßnahmen verstärkt werden. Soziale Sicherheit, Arbeitsplätze und Wohnungen müssen für die gesamte Bevölkerung geschaffen werden.

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und die Mitglieder des Bundesrates fordern wir auf, das Grundrecht "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht" (Artikel 16 II 2 GG) in vollem Umfang zu erhalten.

ErstunterzeichnerInnen und Erstunterzeichner (Stand 12.1.1993)

M. Salim Abdullah, Zentralinstitut Islam-Archiv Deutschland; Heinrich Albertz, Bremen; Franz Alt, Baden-Baden; Esther Andradi, Journalistin, Berlin; Behrouz Asadi, Arbeitskreis Asyl RheinlandPfalz; Dr. Nasrin Bassiri, Berlin; Werner Baumgarten, Arbeitskreis Asyl Baden-Württemberg; RA Herbert Becher, Bonn; Volker Beck, Schwulenverband in Deutschland; Klaus Beer, Neue Richtervereinigung, Leonberg; Almuth Berger, Ausländerbeauftragte des Landes Brandenburg; Blätter für deutsche und internationale Politik, Redaktion und Verlag, Bonn; Bärbel Bohley, Neues Forum, Prof. Dr. Micha Brumlik, Frankfurt; Hauke Brunkhorst, Frankfurt; Günter Burkhardt, Frankfurt; Manuel Campos, Frankfurt; Dr. Roberto Ciulli, Regisseur, Mülheim; Georgette Dee, Bergen; Franz Josef Degenhard, Köln; Dr. Diether Dehm, Frankfurt; Renan Demirkan, Bonn; Bernt Engelmann, Rottach-Egern; Carl-Heinz Evers, Senator a.D., Berlin; Prof. Dr. Ossip Flechtheim, Berlin; Jürgen Flimm, Intendant, Hamburg; Joachim Garstecki, Bad Vilbel; Götz George, Berlin; Ulla Gorges, Aktion Sühnezeichen; Günter Grass, Berlin; Prof. Dr. Norbert Greinacher, Tübingen; Herbert Grönemeyer, Aachen; Dr. Uwe Günther, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein; Peter Härtling, Mörfelden-Walldorf; Gert Heidenreich, P.E.N.-Zentrum in der BRD; Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer, Bielefeld; Hartmut von Hentig, Enger; Hanne Hiob, München; Frauke Hoyer, Flüchtlingsrat Berlin; Volker Hügel, Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen; Michael Hugo, Ausländer- und Flüchtlingsrat Thüringen; Klaus Jähn, Flüchtlingsrat Hamburg; Mechtild Jansen, Publizistin, Köln; Yilmaz Karahasan, IG Metall-Vorstand; Prof. Dr. Helmut Kentler, Hannover; Prof. Dr. Otto Kimminich, Regensburg; Dietrich Kittner, Kabarettist, Hannover; Dr. Gustav Koch, Deutsche Stiftung für UNO-Flüchtlingshilfe; Lew Kopelew, Köln; Karin Kortmann, BDKJ; Bischof Dr. Sigisbert Kraft, Bonn; Horst Krause, Oberstudiendirektor, Lübeck; Sabine Kriechhammer-Yagmur, IAF-Verband bi-nationaler Familien und Partnerschaften; Prof. Dr. Ekkehart Krippendorff, Berlin; Ulla Kux, Berlin; Klaus Lage, Berlin; Marion Lehmicke, VVN-Bund der Antifaschisten; Pfarrer Herbert Leuninger, Hofheim; Wolf Lindner, ZDF, Berlin; Albert Mangelsdorff, Frankfurt; Ilona Marenbach, Journalistin, Berlin; Dr. Jochen Menzel, terre des hommes; Dr. Jürgen Micksch, Tutzing; Prof. Dr. Jürgen Moltmann, Tübingen; Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr, Berlin; Wollgang Niedecken, Köln; Ulli Nissen, Frankfurt; Renate Nourouzi, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein; Prof. Dr. Dieter Oberndörfer, Rostock; Prof. Dr. Peter Opitz, München; RA Victor Pfaff, Frankfurt; Thomas Plessing, Hessischer Flüchtlingsrat; Christa Reetz, BBU-Vorstand, Offenburg; Dr. Brigitte Reich, GEW, Berlin; Marcel Reif, Sport-Joumalist, Mainz; Jochen Richert, DGBBundesvorstand; Katrin Romberg, Internationale Liga für Menschenrechte; Marita Schieferdecker-Adolph, Arbeitskreis Flüchtlinge in Sachsen; Martin Schindehütte, Hofgeismar; Lili Schlumberger-Dogu, Bayerischer Flüchtlingsrat; Pfarrer Friedrich Schorlemmer, Wittenberg; Prof. Dr. Luise und Prof. Willy Schottroff, Kassel; Dirk Schröder, Robin Wood-Bundesvorstand; Eberhard Seidel-Pielen, Journalist, Berlin; Prof. Dr. med. Volkmar Sigusch, Frankfurt; Prof. Dr. Dorothee Sölle, Hamburg; Prof. Dr. Ulrich Sonnemann, Gudensberg; Prof. Klaus Staeck, Heidelberg; Prof. Dr. Ilse Staff, Frankfurt; Prof. Dr. Fulbert Steffensky, Hamburg; Prof. Dr. Wilhelm Steinmüller, Bremen; Hans Thomae-Venske, Ausländerbeauftragter der Ev. Kirche Berlin; Klaus Vack, Komitee für Grundrechte und Demokratie; Erwin Vitt, IG Metall-Vorstand; Ulrich Vultejus, Humanistische Union; Stephan Wald, Hamburg; Kai Weber, Flüchtlingsrat Niedersachsen; Gisela Wiese, Pax Christi; Dr. Beate Winkler, Köln; Tilman Zülch, Gesellschaft für bedrohte Völker, Gerhard Zwerenz, Schmitten.

Zustimmungserklärung an: Förderverein PRO ASYL e.V, Postfach 101843, W-6000 Frankfurt/M, 1, Kto.: 380900608, Postgiroamt Frankfurt/Main (BLZ 50010060)

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