Vor knapp einem Jahr verstarb Willy Brandt, damaliger Präsident der Sozialistischen Internationale (SI) und Ehrenvorsitzender ihres wohl bedeutendsten Mitglieds, der SPD. Im Nachhinein betrachtet erscheint der damit zweifellos verbundene historische Einschnitt um so gravierender, als seitdem immer deutlicher hervortritt, daß auch das "Projekt" dieses historischen Führers der deutschen und internationalen Sozialdemokratie vor dem Zusammenbruch steht. Ich meine damit, daß Brandt in den 70er und wohl mehr noch in den 80er Jahren für den Versuch stand, der Sozialdemokratie eine neue Perspektive im Übergang zum nächsten Jahrhundert zu eröffnen und jene Lügen zu strafen, die das "Ende des sozialdemokratischen Zeitalters" deklamierten. Es ging - kurz formuliert - darum, den Weg vom eurozentrischen Reformismus des keynesianischen Wohlfahrtsstaates zu einem global orientierten Reformismus des ökologisch-sozialen Umbaus der Industriegesellschaft zu finden. Hierfür steht nicht zuletzt das "Berliner Grundsatzprogramm" der SPD, das im Dezember 1989 das berühmte Godesberger Programm ablöste. Brandt erwartete in dieser Perspektive die Impulse von seinen "Enkeln" in Deutschland - aber auch in den westeuropäischen Nachbarländern (an allererster Stelle von Felipe Gonzalez).
In der Januar-Ausgabe skizziert der Journalist David Brooks, wie die so dringend nötige Massenbewegung gegen den Trumpismus entstehen könnte. Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies erörtert, ob die Demokratie in den USA in ihrem 250. Jubiläumsjahr noch gesichert ist – und wie sie in Deutschland geschützt werden kann. Der Politikwissenschaftler Sven Altenburger beleuchtet die aktuelle Debatte um die Wehrpflicht – und deren bürgerlich-demokratische Grundlagen. Der Sinologe Lucas Brang analysiert Pekings neue Friedensdiplomatie und erörtert, welche Antwort Europa darauf finden sollte. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres erläutern, warum die Abhängigkeit von Öl und Gas Europas Sicherheit gefährdet und wie wir ihr entkommen. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski erklärt, wie wir im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unsere Fähigkeit zum kritischen Denken bewahren können. Und die Soziologin Judith Kohlenberger plädiert für eine »Politik der Empathie« – als ein Schlüssel zur Bekämpfung autoritärer, illiberaler Tendenzen in unserer Gesellschaft.