Am Ende siegt weniger die Weit- als die Vorsicht. Aber auch das kann ein Ausdruck von Weitblick sein, vor allem dann, wenn die Sichtweite gering ist. Die Rede ist vom NATO-Gipfel in Brüssel, der auf Initiative der amerikanischen Administration die "partnership for peace" ("P4P") beschloß. Die Entscheidung für ein umfassendes sicherheitspolitisches Kooperationsangebot der NATO an alle Staaten des ehemaligen Warschauer Vertrages unterhalb der Ebene einer formellen Mitgliedschaft entspricht dem Gebot bedachtsamer Politik in einer Zeit europäischer Unübersichtlichkeit. Das westliche Bündnis hat sich von den schnellen Erweiterungswünschen der bündnislosen mitteleuropäischen "Klienten" vor allem Tschechiens, der Slowakei, Polens und Ungarns, der sogenannten Visegrad-Staaten - und von ihrem "Anwalt", der Bundesrepublik - nicht unter Druck setzen lassen. Herausgekommen ist ein Konsens, mit dem die NATO und die russische Föderation leben können und Mitteleuropa leben muß - zumindest auf absehbare Zeit. Das Zusammentreffen des amerikanischen Präsidenten mit den Visegrad-Repräsentanten in Prag war darüber hinaus ein geschickter diplomatischer Schachzug: Clinton machte deutlich, daß der Westen durchaus prädestinierte Kandidaten einer späteren Mitgliedschaft sieht.
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.