Sollte eine Zentralbank Wirtschaftswachstum, Preisstabilität und Vollbeschäftigung auf ihre Agenda setzen? Oder sollte sie sich ganz auf die Inflationskontrolle konzentrieren? Diese Debatte wird gerade in Europa geführt, wo die Rufe sozialdemokratischer Regierungen nach niedrigeren Leitzinsen lauter werden, nachdem die nationalen Zentralbanken der neuen Europäischen Zentralbank weichen mußten. In den Vereinigten Staaten, wo Vollbeschäftigung per Bundesgesetz als ein Politikziel vorgeschrieben ist, kommt es im Kongreß regelmäßig zu Anträgen der Republikaner, die Zentralbank allein auf Inflationsbekämpfung anzusetzen. Seit Anfang der 80er Jahre hat eine Handvoll Staaten förmlich erklärt, übergeordnetes Ziel der Geldpolitik sei eine niedrige und stabile Inflationsrate. Zu diesen Staaten zählen Neuseeland, Kanada, Großbritannien und Schweden. Die Wächter der strikten Anti-Inflationspolitik führen sie als Beispiele an, wenn sie behaupten, eine solche Festlegung der Notenbank würde die Wirksamkeit der amerikanischen Wirtschaftspolitik steigern. Dieser Meinung liegt ein merkwürdiges Verständnis von "Wirtschaftspolitik" zugrunde. Der Begriff wird nicht im Sinne von steigendem Lebensstandard, Vollbeschäftigung, Angleichung der Einkommen oder ähnlichen Verbesserungen im amerikanischen Wohlstandsgefüge verwendet.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.