Ausgabe Mai 2002

Bosnien-Herzegowina: Stagnation mit Pyrrhus-Siegen

Eine „Staatskomödie“ sei Bosnien-Herzegowina, sagte Zlatko Lagumdžija, Premier und Außenminister des Landes: Sieben Jahre nach dem militärischen Erfolg des Friedenspakets von Dayton liegt die zivile Befriedung Bosniens in weiter Ferne. Woran Dayton nicht unschuldig ist: Der Vertrag verfügte nach anderthalb Jahrtausenden bosnischer Integrität deren Zerschlagung in zwei „Entitäten“, die bosnisch-kroatische Föderation und die Republika Srpska (RS). Gleichzeitig definierte er die bosnischen Muslime (44 %), Serben (31 %) und Kroaten (17 %) als die drei „konstitutiven Völker“ Bosniens, was diese motivierte, einander mit allen Möglichkeiten politisch-ökonomischer Obstruktion zu bekriegen. In Bosnien-Herzegowina steht die Machtpyramide auf dem Kopf. Die Zentralregierung hat so gut wie keine Macht, weil diese bei den Entitäten liegt und von deren Untergliederungen, den Kantonen (in der Föderation) und den Kommunen (in der Republika Srpska) ausgeübt wird. Nationalistische Kroaten in Bosnien-Herzegowina fordern eine dritte Entität für sich, und weil ihnen die vom Amt des Hohen UN-Repräsentanten (OHR) bislang verweigert wurde, versuchen sie es seit einigen Monaten andersherum: Wie die Lemminge strömen sie aus Bosnien-Herzegowina nach Kroatien. Andere folgen ihnen anderswohin: über 100 000 in den letzten fünf Jahren.

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Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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