Populismus und Neopopulismus in Lateinamerika
Lateinamerika befindet sich in einem tief greifenden politischen Umbruch. Die Ereignisse in den drei größten, bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Ländern belegen diese These: Wahlniederlage der dienstältesten Staatspartei der Welt, der Partei der Institutionellen Revolution (PRI) in Mexiko im Juli 2000; Sturz des gewählten Präsidenten de la Rua in Argentinien Weihnachten 2001 und Wahl des früheren radikalen Gewerkschaftsführers und Kandidaten der brasilianischen Arbeiterpartei (PT) Luiz Inácio Lula da Silva als Staatspräsident im November 2002. In Ecuador trat im Januar 2003 mit Lucio Gutiérrez – nach Hugo Chávez in Venezuela 1998 – ein weiterer Linkspopulist die Präsidentschaft an. In Peru ringen verschiedene populistische Tendenzen um die Macht; in Bolivien erzielte der Vertreter der Indígena- Bewegung, Evo Morales, einen unerwarteten Achtungserfolg.
In den in vielerlei Hinsicht völlig verschiedenen Fällen drückt sich ein mehr oder minder klar artikulierter Mehrheitswille für einen Neuanfang aus. Dabei spielte die Unzufriedenheit mit den etablierten politischen Systemen eine erhebliche Rolle. Zudem zielen die sozial- und wirtschaftspolitischen Forderungen der neuen Regierungen auf eine deutliche Kurskorrektur der neoliberalen Orientierung ab.