Ausgabe Mai 2003

Befreiungsschlag aus Karlsruhe

Verfahren eingestellt und Akten zugeklappt – wie konnte das passieren? Dass jeder siebte Funktionär der NPD zugleich ein Spitzel des Verfassungsschutzes ist, war dann doch ein bisschen zu viel. Zumal die Antragsteller sich beharrlich weigerten, die Karten auf den Tisch zu legen, obgleich ein V-Mann nach dem anderen aus den Verbotsanträgen purzelte. Wenn von 200 NPD-Kadern an die 30 heimlich im Staatsdienst stehen, wie soll dann ein Gericht unterscheiden, welche Tatsachen auf das Treiben der angeklagten Partei und welche auf die Machenschaften des Verfassungsschutzes zurückgehen? Jeder Verbotsprozess gegen eine Partei gerät leicht in die Untiefen politischer Justiz. Ist er obendrein geheimdienstlich hoch kontaminiert, wird ein faires, rechtsstaatliches Verfahren unmöglich: Weil das Gebot „strikter Staatsfreiheit“ 1 verletzt ist. Prozessrechtlich formuliert liegt ein „nicht behebbares Verfahrenshindernis“ vor.

Die Kernsätze im Votum der dreiköpfigen Sperrminorität, die in diesem Verfahren den Ausschlag gab, lauten: „Die Beobachtung einer politischen Partei durch V-Leute [...] unmittelbar vor und während der Durchführung eines Verbotsverfahrens ist in der Regel unvereinbar mit den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren. Staatliche Präsenz auf der Führungsebene einer Partei macht Einflussnahmen auf deren Willensbildung und Tätigkeit unvermeidbar. [...

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