Ausgabe Oktober 2014

Spiel mir das Lied vom Tod

Der Kalte Krieg und die Eskalation der Angst

Angesichts der dramatischen Eskalation zwischen Russland und dem Westen in der Ukrainekrise begegnet man derzeit zwei, hoch konträren Lesarten: Die einen parallelisieren die gegenwärtige Lage mit der Zeit vor 1989, indem sie von einem neuen Kalten Krieg sprechen. Die anderen sprechen, gerade in Absetzung von der Zeit vor 1989, von einem neuen Heißen Krieg, der die Gefahren des Kalten Krieges weit in den Schatten stelle. Beide Beschreibungen gehen an den Realitäten und Spezifika der bipolaren Ära vorbei. Letztere verkennt jedoch zudem, wie sehr speziell in den frühen 80er Jahren der Frieden nur an einem seidenen Faden hing.

„Es gibt wichtigere Dinge, als im Frieden zu leben“, propagierte US-Außenminister Alexander Haig im Januar 1981.[1] Und US-Präsident Ronald Reagan konkretisierte im Mai 1981 und März 1983, was darunter zu verstehen sei: „Wir werden uns nicht damit abgeben, ihn [den Kommunismus] anzuprangern, wir werden uns seiner entledigen. […] Ich glaube, dass der Kommunismus nur ein weiteres trauriges und bizarres Kapitel in der Geschichte der Menschheit ist, deren letzte Seiten auch gerade jetzt geschrieben werden.“[2] „Und wenn die Abschreckung versagt“, so US-Verteidigungsminister Caspar Weinberger im Juni 1981, „müssen wir fähig sein zu gewinnen, um zu überleben.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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