Dass der Staat Israel im vergangenen Jahr seinen 70. Geburtstag feiern durfte, ist zunächst als Glücksfall zu betrachten. Die Deklaration des Staates am 14. Mai 1948 – nach jüdischer Zeitzählung am 5. Ijar 5708 – war das Ergebnis und der Endpunkt einer langen, leidvollen Geschichte. Doch die Freude über diesen Festtag war im Land selbst getrübt. Denn während wie 70 Jahre zuvor die Menschen auf den Straßen Tel Avivs tanzten, starben an der Grenze zwischen Israel und dem abgeriegelten Gazastreifen junge, von der radikal-islamistischen Hamas aufgestachelte Palästinenser durch die Geschosse israelischer Soldaten. Zudem zeugte die heftige innergesellschaftliche Debatte über das sogenannte Nationalitätsgesetz, das am 19. Juli 2018 verabschiedet wurde, wie zentral die Identitätsfrage für die Israelis auch Jahrzehnte nach der Staatsgründung noch immer ist. Einen „Schlüsselmoment für die Geschichte des Zionismus und des Staates Israel“ nannte Premierminister Benjamin Netanjahu das hochumstrittene Gesetz. Es trägt in erster Linie symbolpolitische Züge und soll den jüdischen Charakter des Staates Israel stärken. Dazu wird etwa dem Arabischen der Status als Amtssprache entzogen und Jerusalem als Hauptstadt bekräftigt.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.