Wie rechte Medien Trump zum Sieg verhalfen

Bild: Trump-Anhänger:innen feiern seinen Sieg auf der Wahlparty im Palm Beach County Convention Center. Auf einem großen Screen läuft Fox News, wo das Wahlergebnis verkündet wird, 5.11.2024 (IMAGO / Newscom World / Miami Herald Staff)
Nach der Wahl habe ich viele Gespräche geführt, in denen es um die Frage ging, warum Donald Trump gewonnen hat. Die Gründe lauteten: Die Wirtschaft und die Inflation, Kamala Harris hat dies oder jenes nicht getan, Sexismus und Rassismus, die Grenze. Oder der Wahlkampfspot über Trans-Gefangene, der millionenfach geschaltet wurde. Und so weiter.
Diese Gespräche verliefen in der Regel so, dass die Leute ungläubig fragten, wie eine Mehrheit der Wähler dies oder jenes glauben konnte. Hat es sie nicht gestört, dass Trump ein verurteilter Verbrecher ist? Ein verurteilter Vergewaltiger? Haben ihn seine Gewaltaufforderung gegen Liz Cheney oder 50 andere Beispiele seiner widerlichen Beschimpfungen nicht offensichtlich disqualifiziert? Und konnten sie nicht erkennen, dass Harris, welche Unzulänglichkeiten sie auch haben mag, eine grundsätzlich kluge, ehrliche und wohlmeinende Person ist, die der Verfassung grundlegenden Respekt entgegenbringen und als Präsidentin nichts Seltsames tun würde? Die Antwort lautet offensichtlich: Nein, nicht genug Menschen waren in der Lage, irgendetwas davon zu erkennen. An diesem Punkt werfen die Leute die Hände in die Luft und sagen: „Ich geb‘s auf.“
Aber diese Art der Analyse erfordert, dass wir noch eine Frage stellen. Und zwar die entscheidende: Warum hat eine Mehrheit der Wähler diese Dinge nicht gesehen? Und wenn wir die Antwort auf diese Frage verstehen, können wir beginnen, uns aus diesem tragischen Schlamassel herauszuarbeiten. Die Antwort lautet: die rechten Medien.
Heute bestimmen die rechten Medien – Fox News (und die gesamte News Corp.), Newsmax, One America News Network, das Sinclair-Netzwerk aus Radio- und Fernsehsendern und Zeitungen, iHeart Media (ehemals Clear Channel), das Bott Radio Network (christliches Radio), Elon Musks X, die riesigen Podcasts wie der von Joe Rogan und vieles mehr – die Nachrichtenagenda in diesem Land. Und sie fütterten ihr Publikum mit einseitigen und verzerrten Informationen, die es Trump ermöglichten, zu gewinnen. Lassen Sie mich das noch einmal sagen, falls es untergegangen ist: Heute bestimmen die rechtsgerichteten Medien die Nachrichtenagenda in diesem Land. Nicht die „New York Times“. Nicht die „Washington Post“ (die sich alle Mühe gab, keinen Einfluss auszuüben, als Jeff Bezos die Unterstützungserklärung der Redaktion für Harris zurückzog). Nicht CBS, NBC und ABC. Die Agenda wird von allen Medienkanälen bestimmt, die ich im obigen Absatz aufgelistet habe. Selbst die mächtige „New York Times“ folgt ihnen und ahmt den Tonfall nach, den sie beunruhigend oft vorgeben.
Der Aufstieg rechter Desinformationsmedien
Wenn Sie meine Beiträge regelmäßig lesen, wissen Sie, dass ich das schon einmal geschrieben habe, aber ich werde es so lange schreiben, bis die Menschen – insbesondere reiche Liberale, die als einzige Menschen auf der Welt die Macht haben, etwas gegen diesen Zustand zu unternehmen – etwas tun. Ich bin seit drei Jahrzehnten in den Medien tätig und habe das aus nächster Nähe miterlebt. Fox News ging 1996 auf Sendung. Damals war es ein Ärgernis, ein kleiner Käfer, den die Mainstream-Medien von der Schulter schütteln konnten. Es gab auch den Radiomoderator Rush Limbaugh; dennoch sind die beiden Medien nicht zu vergleichen. Rush war talentiert, auf seine Art jedenfalls, aber er konnte sich im Mainstream nicht behaupten (erinnern Sie sich daran, wie schnell das Experiment, ihn als Kommentator auf ESPN einzusetzen, schiefging). Aber in den späten 1990er Jahren, nach dem explosionsartigen Wachstum des Internets und dem Amtsantritt von George W. Bush, wuchsen die rechtsgerichteten Medien immer weiter. Zunächst wuchsen auch die liberalen Medien zusammen mit dem Internet in Form einer robusten Blogosphäre, aus der schließlich einflussreiche, richtungsweisende Websites wie HuffPost hervorgingen. Aber Milliardäre auf der rechten Seite haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten weitaus mehr in Medien investiert als ihre Pendants auf der linken Seite – deren werbefinanzierte, von Wagniskapital unterstützte Aktivitäten bröckelten, als Social Media und Google begannen, den Umsatzkuchen zu verschlingen. Das Ergebnis sehen wir heute. Die anschauliche Analogie, die ich verwende, lautet: Vor langer Zeit waren die Mainstream-Medien einmal ein Wasserball und die rechten Medien ein Golfball. Heute haben die Mainstream-Medien (durch Entlassungen und Schließungen, und weil die seriöse lokale Berichterstattung nahezu ausgestorben ist) die Größe eines Volleyballs und die rechten Medien die Größe eines Basketballs, der, falls Sie sich fragen, größer ist.
In diesem Jahr wurde deutlich, dass die rechten Medien mehr Macht haben als die Mainstream-Medien. Es geht nicht nur darum, dass sie größer sind. Sie sprechen mit einer Stimme, und diese Stimme sagt, dass Demokraten und Liberale verräterische Snobisten sind, die Sie hassen, und dass Republikaner und Konservative Gott und ihr Land lieben und Ihre letzte Verteidigungslinie gegen die Gefahr sind, dass Ihr Sohn als Tochter von der Schule nach Hause kommt.
Deshalb hat Donald Trump gewonnen. In der Tat sind die rechten Medien der Grund, warum er in unserem politischen Leben überhaupt existiert. Glauben Sie mir nicht? Versuchen Sie es mit diesem Gedankenexperiment. Stellen Sie sich vor, Trump käme 2015 ohne rechte Medien, ohne Fox News, mit einer Agenda, die immer noch von den seriösen alten CBS News und der „New York Times“ festgelegt wird, und mit Sitten, die immer noch von diesen Medien etabliert werden, die Rolltreppe herunter.
In dieser Atmosphäre hätte eine unverschämte Figur wie Trump nicht den nötigen Sauerstoff bekommen, um zu überleben und zu gedeihen. Er wäre einfach überhaupt nicht ernst genommen worden. In dieser Welt, die von traditionellen Mainstream-Medien beherrscht wird, wäre Trump von den Republikanern als Belastung angesehen worden und sie hätten das getan, was sie im wirklichen Leben versäumt haben – sie hätten sich zusammengeschlossen, um ihn an den Rand zu drängen. Aber die Existenz von Fox änderte alles. Fox war Gastgeber der ersten Debatten, die Trump nicht mit Intelligenz, sondern mit Unverschämtheit gewann. Er nutzte die Kultur des Ressentiments, die Fox jahrelang unter Konservativen gepflegt hatte. Er hatte (die meiste Zeit) Rupert Murdochs persönlichen Segen. In den Jahren 2015 bis 2016 machte Fox Trump möglich.
Wie eine Trumplüge entsteht
Und in diesem Jahr wurde er von Fox und den übrigen rechten Medien gewählt. All dies habe ich kurz nach der Wahl mit Matthew Gertz von „Media Matters for America“ besprochen, der sich viele Sendungen von Fox News ansieht, damit wir anderen es nicht tun müssen. Er hat den entscheidenden Punkt angesprochen – und das muss man verstehen –, dass fast alle verrückten Memes, die während dieser Wahl in den Nachrichtenstrom sickerten, ursprünglich nicht von Trump oder JD Vance stammten, sondern aus dem rechten Medienökosystem. Beispielsweise begann die gefälschte Geschichte über haitianische Einwohner von Springfield, Ohio, die Katzen und Hunde essen würden, mit einem Facebook-Post, der Quellen aus zweiter und dritter Hand zitierte, wie Gertz mir erzählte. Sie „zirkulierte dann auf X und wurde von allen großen rechten Meinungsmachern aufgegriffen“. Erst dann bemerkte Vance, ein sehr onlineaffiner Typ, sie und beschloss, sie zu nutzen. Und dann wiederholte sie Trump im TV-Duell mit Harris. Aber sie begann in den rechten Medien.
Ebenso verhält es sich mit dem angeblichen Whistleblower bei ABC nach der Debatte. Dabei ging es um die Geschichte, der Sender ABC, der die einzige Präsidentschaftsdebatte dieser Wahl ausrichtete, habe dem Team von Harris die Fragen im Voraus zugespielt. Dies begann, so Gertz, als „wildes, fadenscheiniges Internetgerücht, das von einem zufälligen Pro-Trump-Poster auf X in Umlauf gebracht wurde“. Schon bald waren die rechten Medien voll davon. Vielleicht hat das alles keinen großen Unterschied gemacht (obwohl, wer weiß?), aber das hier, glaube ich, schon: die Idee, dass Harris und Joe Biden den Opfern des Hurrikans Helene (hauptsächlich in den südlichen, republikanischen Staaten) die Nothilfe vorenthalten und sie an Migranten ohne Papiere verteilt hätten. Es begann nicht mit Trump oder seiner Kampagne oder Vance oder dem Republikanischen Nationalkomitee oder mit Senator Lindsey Graham. Es begann auf Fox. Erst dann griffen die anderen es auf. Und das war entscheidend, denn zu diesem Zeitpunkt begann Harris‘ Schwung in den Umfragen nachzulassen.
Ich glaube, viele Menschen, die weder Fox News schauen noch Sinclair Radio hören, verstehen nicht diesen entscheidenden Punkt, bei dem es um die Frage nach der Henne und dem Ei geht. Sie gehen davon aus, dass Trump etwas sagt und die rechtsgerichteten Medien es dann verstärken. Das kommt manchmal vor. Aber häufiger ist es genau andersherum. Diese Memes entstehen in der Medienwelt und werden dann Teil der Trump-Agenda.
Horrorgeschichten über die US-Wirtschaft
Dabei bin ich noch nicht einmal bei der Wirtschaft angekommen, über die es so viel zu sagen gibt. Ja, die Inflation ist real. Aber die wirtschaftliche Lage war unter Biden in vielerlei Hinsicht großartig. Die US-Wirtschaft, schrieb der „Economist“ Mitte Oktober, „wird von der Welt beneidet“. Aber in den rechtsgerichteten Medien waren die Horrorgeschichten unerbittlich. Und die Mainstream-Wirtschaftsberichterstattung folgte allzu oft diesem Beispiel. Erlauben Sie mir, die einfachste Vorhersage der Welt zu treffen: Nach dem 20. Januar um 12 Uhr mittags werden Fox News und Fox Business nicht einmal eine volle Stunde brauchen, um jeden positiven Wirtschaftsindikator zu finden, den sie finden können, und damit zu werben. Innerhalb weniger Wochen wird der „Trump Wirtschaftsboom“ zum Allgemeinwissen geworden sein. (Irgendwann, wenn einige der Früchte aus den langen Nachwirkungen der Bidenomics anfangen zu wachsen, könnte Trump auch Nutznießer einiger realer Fakten werden und die Lorbeeren für das ernten, was er abgelehnt und regelmäßig angeprangert hat.)
Zurück zur Kampagne. Ich stellte Gertz meine sogenannte „Ulan Bator-Frage“. Wenn jemand im Sommer aus Ulan Bator, Mongolei, in die USA gezogen wäre und nur Fox News schauen würde, was würde diese Person über Kamala Harris erfahren? „Man würde wissen, dass sie eine sehr dumme Person ist“, sagte Gertz. „Man würde wissen, dass sie einen Putsch gegen Joe Biden inszeniert hat. Dass sie eine verrückte Extremistin ist. Und dass sie sich überhaupt nicht für einen interessiert.“ Dieselbe Frage aus Ulan Bator zu Trump? Dass er „seit Jahren das Ziel einer bösartigen Hexenjagd“ ist, dass er ständig angegriffen wird; und vor allem, dass er „das alles für Sie tut“.
Ein Großteil Amerikas versteht dies übrigens nicht als die Sichtweise einer Seite, sondern einfach als „die Nachrichten“. Das ist es, was die Menschen – hauptsächlich Weiße – in etwa zwei Dritteln des Landes sehen. Ich gehe davon aus, dass Sie auf Ihren Reisen festgestellt haben, was ich auf meinen gesehen habe: Wenn man in in republikanischen oder sogar in einigen politisch umkämpften Teilen des Landes eine Hotellobby, ein Krankenhauswartezimmer oder sogar eine Bar betritt, wo die Fernseher uns eigentlich etwas Ruhe bieten und nur ESPN zeigen sollten, mindestens ein Fernseher auf Fox eingestellt ist. Das ist Reichweite und das ist Macht. Und dann steigen die Leute in ihre Autos, um nach Hause zu fahren und einen rechtsgerichteten iHeart-Talk-Radiosender zu hören. Und dann kommen sie nach Hause und sehen sich ihre lokalen Nachrichten an, die von Sinclair betrieben werden, und auch diese sind eindeutig rechtsgerichtet. Und dann nehmen sie ihre Lokalzeitung zur Hand, falls es sie noch gibt, und auf der Meinungsseite finden sie Cal Thomas und Ben Shapiro.[1] Die Liberalen leben in einer schrumpfenden Blase
Reiche und andere Liberale leben in einer Blase, in der sie solche Dinge nie zu Gesicht bekommen. Ich würde Sie bitten, es zu sehen. Schauen Sie sich Fox an. Hören Sie christliches Radio. Erleben Sie die Nachrichten, die Millionen Amerikaner täglich erhalten. Sie werden ziemlich schnell verstehen, was ich hier sage. Und dann bedenken Sie Folgendes: Wenn Sie glauben, dass sie damit zufrieden sind, leben Sie in einer Traumwelt. Diese Leute sind nicht glücklich mit der groben Parität, dem leichten Vorteil, den sie jetzt haben. Sie wollen die Medien dominieren. Sinclair hat die einst glorreiche „Baltimore Sun“ gekauft. Ich glaube nicht, dass sie es dabei belassen werden. Ich bin mir sicher, dass Sinclair oder die News Corp. eines Tages die „Washington Post“ besitzen werden. Vielleicht früher, als wir denken.
Ich flehe Sie an: Denken Sie darüber nach. Wenn Sie ein gewisses Alter haben, haben Sie noch lebhafte Erinnerungen an Revolutionen in der sogenannten Dritten Welt. Frage: Was hat jede Guerillaarmee, ob links oder rechts, als Erstes getan, nachdem sie den Palast erobert hatte? Sie haben den Radio- oder Fernsehsender übernommen. Als Erstes. Dafür gibt es einen Grund. Es ist derselbe Grund, aus dem Viktor Orbán der rechtskonservativen Konferenz CPAC 2022 sagte: „Habt eure eigenen Medien.“
Dies ist eine Krise. Die Marke „Demokratisch“ ist in weiten Teilen des Landes wertlos, und das ist der Grund dafür. Bedenken Sie diesen Punkt. Am Wahltag haben die Wähler in Missouri eine Initiative für das Recht auf Abtreibung und eine weitere für die Erhöhung des Mindestlohns und die Einführung von bezahltem Urlaub angenommen. Dies sind alles demokratische Positionen. Aber was die Wahl von jemandem in ein hohes Amt betrifft, hätte die Man-Boy Love Party[2] wahrscheinlich bessere Chancen als die Demokraten. Trump schlug Harris dort mit 18 Punkten Vorsprung, und Senator Josh Hawley schlug Lucas Kunce, der einen guten Wahlkampf hinlegte und Hawley in der Debatte schlecht aussehen ließ, mit 14 Punkten Vorsprung.
Der Grund? Die rechten Medien. Und sie werden immer größer und größer. Und dabei habe ich noch nicht einmal die sozialen Medien, Tik Tok und die anderen Plattformen erwähnt, über die heutzutage viel mehr Menschen ihre Nachrichten beziehen. Auch in dieser Hinsicht sind uns die Rechten weit voraus. Die Liberalen müssen aufwachen, das verstehen und etwas dagegen unternehmen, bevor es zu spät ist – was es fast schon ist.
Deutsche Erstveröffentlichung eines Textes, der unter dem Titel „Why Does No One Understand the Real Reason Trump Won?“ auf newrepublic.com erschienen ist. Übersetzung: Ferdinand Muggenthaler.