Ein Portrait des Kandidaten Lafontaine
I Nach dem Attentat auf Oskar Lafontaine nahm die deutsche Öffentlichkeit nicht nur Anteil am Schicksal des Verletzten. Im Augenblick der Lebensgefahr war sie entsetzt. Was war passiert? Hatte sich vielen plötzlich der heimliche Wunsch ins Bewußtsein gedrängt, Lafontaine, die Ausnahmeerscheinung unter den Politikern, möge eines Tages doch jene Handwerker der Macht ablösen, die in Bonn regieren? Darauf jedenfalls hofft die SPD, die sich ohne ihren Kanzlerkandidaten schon nicht mehr denken kann.
Alle Erwartungen lasten auf Oskar Lafontaine - begabter und besser ausgebildet als die meisten Berufspolitiker, Herkunft aus dem Arbeitermilieu, jesuitisch geschliffener Katholizismus, naturwissenschaftliches Studium, Beschäftigung mit Schriften der humanistischen Psychologie. Lafontaine ist einer, um den sich Höfe sammeln - so "Spiegel"-Reporter Jürgen Leinemann im Jahre 1983, als Lafontaines Bundeskarriere beginnt. Im Jahre 1966 schließt sich Lafontaine mit 23 Jahren der SPD in Saarbrücken an, noch im gleichen Jahr wird er Juso-Unterbezirksvorsitzender. 1968 SPD-Landesvorstand, 1971 SPD-Unterbezirksvorsitzender, 1976 Oberbürgermeister von Saarbrücken. Zwischen 1981 und 1983, der Zeit der Raketendiskussion und Helmut Schmidts Abstieg, steigt Lafontaine in den Kreis der sozialdemokratischen Meinungsführer auf.