Ausgabe September 1992

Neue Demokraten

Als der Polizistenmörder Ricky Ray Rector vergangenen Januar in einem Gefängnis in Arkansas zur Hinrichtung abgeführt wurde, ließ er ein Stück Kuchen auf seinem Teller liegen. Er werde es essen, wenn er zurückkomme, sagte Rector nach Angaben seines Anwalts. Der von einem Kopfschuß, den er sich selbst beigebracht hatte, schwer hirngeschädigte Afro-Amerikaner wurde dann von Amts wegen vergiftet. Der Vollstreckungsbefehl trug die Unterschrift des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Bill Clinton. Als Gouverneur von Arkansas muß Clinton diese Befehle unterzeichnen; er hätte Rector auch zu lebenslänglicher Gefängnisstrafe begnadigen können.

Im Mai machte Clinton wegen der Vorbereitung auf eine Hinrichtung erneut Wahlkampfpause: Er beschloß, Steven Hill sterben zu lassen. Auch Hill hatte einen Polizisten erschossen. Clintons Weg in Richtung Weißes Haus führt über Leichen. Wie sein Vizepräsidentschaftskandidat Albert Gore ist Bill Clinton eben ein N e u e r D e m o k r a t, einer, der das vermeintlich zu schwere Gepäck des Liberalismus und der "Anbiederung" an Minoritäten, Gewerkschaften und andere "Interessengruppen" abgelegt hat, einer, der meint, das Rezept zum Wahlsieg über die Republikaner gefunden zu haben, die schon seit 1968 - mit Ausnahme der vier Carter Jahre - im Weißen Haus sitzen.

September 1992

Sie haben etwa 11% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 89% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Januar 2026

In der Januar-Ausgabe skizziert der Journalist David Brooks, wie die so dringend nötige Massenbewegung gegen den Trumpismus entstehen könnte. Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies erörtert, ob die Demokratie in den USA in ihrem 250. Jubiläumsjahr noch gesichert ist – und wie sie in Deutschland geschützt werden kann. Der Politikwissenschaftler Sven Altenburger beleuchtet die aktuelle Debatte um die Wehrpflicht – und deren bürgerlich-demokratische Grundlagen. Der Sinologe Lucas Brang analysiert Pekings neue Friedensdiplomatie und erörtert, welche Antwort Europa darauf finden sollte. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres erläutern, warum die Abhängigkeit von Öl und Gas Europas Sicherheit gefährdet und wie wir ihr entkommen. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski erklärt, wie wir im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unsere Fähigkeit zum kritischen Denken bewahren können. Und die Soziologin Judith Kohlenberger plädiert für eine »Politik der Empathie« – als ein Schlüssel zur Bekämpfung autoritärer, illiberaler Tendenzen in unserer Gesellschaft.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Der Kampf um Grönland: Versöhnung als Geopolitik

von Ebbe Volquardsen

Die Stadt Karlsruhe könnte schon bald vor einem Dilemma stehen. Im Januar 2025 zeichnete sie ihren langjährigen Stadtvertreter Tom Høyem (FDP) mit der Ehrenmedaille aus. In den 1980er Jahren war der gebürtige Däne, mittlerweile auch deutscher Staatsbürger, Dänemarks letzter Minister für Grönland – ein Amt aus der Kolonialzeit.

Infantino-Trump: Goldgangster im Gleichklang

von Jan Kursko

Zum Glück gibt es sie doch noch, die Gerechtigkeit auf dieser brutalen Welt! Da beschert ein Mann Millionen den Frieden – und beendet sogar Kriege, angeblich acht an der Zahl, von denen die Welt zuvor noch nie gehört hatte –, und doch hat das Nobelpreiskomitee ihn schnöde rechts liegen lassen.