Ausgabe Dezember 1994

Graswurzelbewegung nach rechts

Zum ersten Mal in vier Jahrzehnten haben die Republikaner die Mehrheit im amerikanischen Kongreß. Die Zwischenwahl am 8. November hat mehr Demokraten das politische Leben gekostet als der Reagan-Erdrutsch vor vierzehn Jahren. Was der republikanische Sieg aber langfristig bedeutet, ist noch nicht abzusehen. Die Wähler haben sich eher gegen die Demokraten und nicht für die Republikaner entschieden, genauso wie sie vor zwei Jahren wohl eher gegen George Bush waren und nicht für Bill Clinton. Amerika ist unzufrieden, nichts funktioniert. Im Ausland spielt die Regierung Superpolizist, daheim fällt der Lebensstandard, man arbeitet mehr, und verdient weniger 1). Viele Amerikaner vertrauen den Politikern nicht mehr, dieser "Elite in Washington", wo Zehntausende Lobbyisten ihr Unwesen treiben.

Die Steuergesetze begünstigen die Reichen, die Mittelklasse zahlt immer mehr. In den Abendnachrichten sieht man Mord und Totschlag. Die Wähler wollten einfach etwas anderes. Vor zwei Jahren hat man Bill Clinton zum Erneuern nach Washington geschickt, jetzt kommen die Republikaner zum Ausmisten. Clinton hat enttäuscht. Was die diesjährigen Sieger im Auge der Wähler vereinigt, ist ihre Rhetorik "gegen die Regierung", gegen die "Elite". Die Rechten haben gewonnen, weil sie die einzigen sind, die die amerikanische Politik der Elite für die Elite kritisieren.

Dezember 1994

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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