Ausgabe Juli 1995

Eine Herrschaftslehre aus dem Westen

Das fernöstliche Wirtschaftswunder und die Instrumentalisierung des Konfuzianismus

In den letzten Jahren ist die sog. Konfuzianismusthese, die die wirtschaftlichen Erfolge Ostasiens auf die konfuzianische Tradition dieser Länder zurückgeführt, zu einem dominierenden Erklärungsmuster fernöstlicher Entwicklung geworden. Nach dem Scheitern des osteuropäischen Sozialismus scheint das "konfuzianische Wirtschaftsmodell" als Alternative zum westlichen Kapitalismus noch mehr an Anziehungskraft gewonnen zu haben. Bedauerlicherweise besteht die zugrundeliegende Interpretation im wesentlichen aus westlichen Klischees von Ostasien. Überhaupt war die Rezeption jener Philosophie im Westen im Grunde stets ein Spiegelbild der Entwicklung der abendländischen Gesellschaft und ihrer Geisteswelt. Deshalb sagt sie mehr über das Abendland als über ihren Gegenstand aus. 1) Vor dem Hintergrund der Krise der westlichen Ökonomien und ihrer Herausforderung durch aufstrebende Schwellenländer aus Fernost wird die unselige Tradition der europäischen Klischeebildung seit einigen Jahren fortgeschrieben. Dabei blickt man leichtfertig oder absichtlich über die konkrete politisch-gesellschaftliche Verfassung der in Frage stehenden Staaten hinweg - und negiert überdies die demokratischen Ansätze im Konfuzianismus. 2)

Zur Vorgeschichte: Hegel, Weber und das "orientalische Wesen"

Im 17.

Juli 1995

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