Den 6. August 1995, den 50. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima, werden die Geschichtsrelativierer der Neuen Rechten dazu nutzen, einmal mehr die Singularität deutscher Verbrechen in Frage zu stellen und die moralische Berechtigung der Nachkriegs"Umerziehung" der Deutschen durch die westlichen Siegermächte in Zweifel zu ziehen. In diesem Fall wird der geistige Stoßtrupp der "selbstbewußten Nation" freilich weit weniger isoliert sein als bei früheren Gelegenheiten. Mit ihrem Versuch, den 8. Mai zum Gedenktag für die deutschen Opfer der Nachkriegsordnung umzuwidmen, drangen die Strategen des Kampfes um eine neonationalistische "Diskurshegemonie" nicht so recht durch.
Wenn es aber um die Gleichsetzung von Hiroshima mit Auschwitz geht, treffen sie auf ein Feld, das schon viele Jahre lang von linken, linksliberalen und christlich bewegten Pazifisten bestellt worden ist. Bereits 1964 hat sich Hannah Arendt gegen die Gleichsetzung der "Endlösung" mit dem - damals so genannten - atomaren "Megatod" gewandt. In der Auseinandersetzung mit Hans Magnus Enzensberger, der den möglichen weltweiten Nuklearkrieg als eine qualitativ und quantitativ erweiterte Fortsetzung der "Endlösung" definiert hatte, bestand Arendt auf drei eindeutigen politischen und moralischen Unterscheidungen zwischen diesen beiden Massentötungsaktionen.