Ausgabe November 2002

Gesucht: Europa als strategische Idee

Die transatlantischen Missverständnisse erhalten in der gegenwärtigen Phase der Erhitzung des öffentlichen Klimas in Amerika eine besondere Eigendynamik: Die Dramatik, von der amerikanischen Medienwelt gekonnt inszeniert, weist in Richtung eines Krieges gegen den Irak. „Showdown Irak“ ist die mediale Überschrift, mit der die Öffentlichkeit auf die Realität des bevorstehenden Krieges vorbereitet wird. Der Terror hat die amerikanische Nation existenziell getroffen. Selbst die letzte verbliebene Supermacht kann den Schutz ihrer Bürger nicht garantieren. Dies ist ein völlig neuer Horizont für ein Land, das sich in seiner Geschichte weitestgehend als von außen unangreifbar verstehen konnte. Die sicherheitspolitischen Herausforderungen Amerikas lagen traditionell außerhalb der eigenen Grenzen. Überall, wo der amerikanische Traum von der Freiheit bedroht erschien, war das Ethos der Vereinigten Staaten gefordert – im geteilten Deutschland, in Berlin, in Vietnam, in Somalia und anderswo. Jetzt aber wurde erstmals die Gefährdung der eigenen Nation zur traumatischen Erfahrung.

In der amerikanischen Antwort, im Krieg gegen denTerror, ist nun aus amerikanischer Sicht nicht primär Freundschaftspathos gefragt, sondern handfeste europäische Leistung.

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Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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