Günther Oettinger und die gefühlte Geschichte
Wenn Politiker sich über Geschichte äußern, betreiben sie unweigerlich Geschichtspolitik. Ob das fahrlässig geschieht, weil das Geschichtsgefühl eines Ministerpräsidenten es nicht zulässt, sich einen seiner Amtsvorgänger als Nazi vorzustellen, oder absichtsvoll, um die Grenzen des wieder Sagbaren abzuklopfen, sei dahingestellt – der Fall Oettinger zeigt jedenfalls einmal mehr, dass erinnerungskulturelle Landschaften nicht durch kognitives Geschichtswissen allein gestaltet sind, sondern ihre Konturen durch Emotionen und Wünsche an die Vergangenheit bekommt. Deshalb artikuliert sich hier immer auch das Bedürfnis nach einer guten Geschichte, und in einer solchen kommen schlechte Menschen natürlich nicht vor, schon gar nicht, wenn man zu ihnen in einem Verhältnis der Loyalität steht.