Der Prozess um den ehemaligen VW-Personalvorstand Peter Hartz hat es ebenso gezeigt wie der „Fall Mannesmann“: Der deutsche Strafprozess unterliegt einer radikalen Veränderung. Diese Entwicklung vollzieht sich nicht in gesetzlichen Formen, sondern auf dem Wege der außergesetzlichen Rechtspraxis des Aushandelns des Urteilsspruchs zwischen den Prozessbeteiligten. In ihrem Grundmuster folgt diese Absprachepraxis dem plea bargaining der USA (wenn auch in für den Angeklagten verlässlicherer Weise und in weniger robuster Form), weshalb ein Blick über den Atlantik lohnt.
Der Begriff plea bargaining trifft den Nagel auf den Kopf: Schuld und Strafmaß des Angeklagten werden letztlich ausgehandelt. Zu diesem Zweck schlägt der Staatsanwalt im Austausch für ein Geständnis eine geringere Bestrafung als die im Gerichtsverfahren abzusehende vor. Indem der Angeklagte den Vorschlag annimmt, bekennt er sich vor dem Richter als schuldig. Gewissermaßen als Belohnung für das Geständnis ist dann das Strafmaß zumeist mit dem Vorschlag des Staatsanwalts identisch. Auf diese Weise wird ein Handel mit der Gerechtigkeit betrieben, der Staatsanwaltschaft und Gerichte entlasten soll und dem Angeklagten um so verlockender erscheinen muss, als er für den Preis des Geständnisses (oder Teilgeständnisses) einen Strafnachlass erwarten darf.