Ausgabe Januar 1996

Der Staat, der Duden und die Orthographie

Was wenigstens seit 1989 durch eine erste und seit 1993 durch eine weitere Buchpublikation bekannt ist, was im selben Jahr Gegenstand eines öffentlichen Hearings in Bonn war, 1994 auf einer Konferenz in Wien verhandelt und dort von amtlichen Vertretern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zur Vorbereitung eines Verwaltungsabkommens beschlossen wurde, erzeugt nach einer Phase relativer Gelassenheit mit einem Mal ein ungeahntes Maß an öffentlicher Aufgeregtheit. Was Ministerpräsidenten und Kultusminister in Protokollen und Berichten ihrer zuständigen Fachbeamten über jede der zahlreichen Sitzungen zur Vor- und Nachbereitung der Wiener Konferenz und vor allem im Schlußprotokoll eben dieser Konferenz nachlesen konnten, wollen sie mit einem Mal nicht kennen.

Die Rede ist nicht etwa von Asyl oder Ausländerfeindlichkeit, von Wehrmacht oder Waffenhandel, sondern von Fede und Frefel, Tron und Tollpatsch, d.h. von den Plänen zu einer Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. Diese waren von staatlich hierzu befugten Vertretern der drei deutschsprachigen Länder auf der internationalen Orthographie-Konferenz, die vom 22. bis 24. November 1994 in Wien stattfand, beschlossen worden. Die Ergebnisse dieser Konferenz sind in mehreren Publikationen dokumentiert 1) und von den Medien reichlich kommentiert worden.

Sie haben etwa 7% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 93% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Maskulin und libertär

von Stefan Matern, Sascha Ruppert-Karakas

Echte Männer sind rechts“ – das auf Social Media viral gegangene Video des AfD-Politikers Maximilian Krah ist mehr als nur ein lapidares Bekenntnis zu traditionellen Familien- und Geschlechterrollen. Es ist vielmehr der strategische Versuch, junge Menschen niedrigschwellig an AfD-Positionen heranzuführen. Im provokanten Politainmentstil bespielt die Partei auf den digitalen Plattformen unpolitisch anmutende Themen rund um die Probleme und persönlichen Unsicherheiten junger Männer.