Wenige Wochen vor seinem Tod hat Ignatz Bubis mit seinem letzten Interview viele Menschen verstört. Im Grunde nichts erreicht habe er in seinen Jahren als Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland: Die Deutschen würden sich stolz zu Beethoven bekennen, aber gar nicht zu ihrer Verantwortung für Himmler, Juden würden als Fremde betrachtet, und er selbst wolle sich in Israel bestatten lassen, damit es nicht zu einem Sprengstoffanschlag auf sein Grab komme wie auf das seines in Berlin beerdigten Vorgängers. Gerade in der Trauer um Bubis lohnt sich ein Blick auf die Reaktionen, die seine pessimistischen Äußerungen hervorriefen. Die Walsers, die den kranken Ignatz Bubis zu Worten der Verzweiflung provoziert hatten, blieben still. Wohlmeinende deutsche Nichtjuden, die üblichen Verdächtigen unter den Leitartiklern voran, stimmten Bubis zu - mit dem Basso continuo der Selbstanklage, trotz allem irgendwie ritualisierten Gedenken ziehe doch niemand wirklich Lehren aus den Schrecken von Auschwitz.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.