Auf kaum einem anderen Feld wirkt das "amerikanische Modell" so autoritativ, so zwingend wie auf dem der "freien Wirtschaft". Zum kleinen Einmaleins unseres Amerika-Lehrgangs gehört mittlerweile, die beste Wirtschaftspolitik sei gar keine, oder wie es Ronald Reagan ausgedrückt hat: Der Staat sei nicht die Lösung irgendeines Problems, er sei das Problem. In den Vereinigten Staaten hat diese rechtsanarchistische Tradition im konservativen Milieu Schule gemacht - ein großer Teil der ökonomischen Lehre und Praxis hat für Staat und Politik nur Verachtung übrig. Anders auf dem europäischen Kontinent, wo der Staat seine Aufgabe nicht nur dann sah, Brücken und Straßen zu bauen, sondern auch Kontrolle über den Wirtschaftsprozess auszuüben und sogar selbst als Unternehmer aufzutreten. So gesehen, war der "rheinische Kapitalismus" tatsächlich ein Dritter Weg zwischen wildem Kapitalismus und Staatssozialismus. Seit Beginn der 90er Jahre sieht man in den USA den Abschied vom Staat wieder nüchterner, aber ein Paradigmenwechsel hat eher in Europa stattgefunden. Auch "New Labour" will hauptsächlich die Verschuldung bekämpfen, die Staatsquote senken und den "Wirtschaftskräften" ansonsten weltweit freie Hand lassen.
In der Januar-Ausgabe skizziert der Journalist David Brooks, wie die so dringend nötige Massenbewegung gegen den Trumpismus entstehen könnte. Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies erörtert, ob die Demokratie in den USA in ihrem 250. Jubiläumsjahr noch gesichert ist – und wie sie in Deutschland geschützt werden kann. Der Politikwissenschaftler Sven Altenburger beleuchtet die aktuelle Debatte um die Wehrpflicht – und deren bürgerlich-demokratische Grundlagen. Der Sinologe Lucas Brang analysiert Pekings neue Friedensdiplomatie und erörtert, welche Antwort Europa darauf finden sollte. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres erläutern, warum die Abhängigkeit von Öl und Gas Europas Sicherheit gefährdet und wie wir ihr entkommen. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski erklärt, wie wir im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unsere Fähigkeit zum kritischen Denken bewahren können. Und die Soziologin Judith Kohlenberger plädiert für eine »Politik der Empathie« – als ein Schlüssel zur Bekämpfung autoritärer, illiberaler Tendenzen in unserer Gesellschaft.