Ausgabe September 2025

Vulnerabilität als Politikum

Long Covid in der Leistungsgesellschaft

Eine an ME/CFS Erkrankte im Bett mit Gehörschutz, Schlafmaske und Rollstuhl (Lea Aring und Deutsche Gesellschaft für ME/CFS)

Bild: Eine an ME/CFS Erkrankte im Bett mit Gehörschutz, Schlafmaske und Rollstuhl (Lea Aring und Deutsche Gesellschaft für ME/CFS)

Vor 70 Jahren lud Edward Steichen ins Museum of Modern Art ein. Der Direktor für Fotografie hatte mit seinem Team mehr als 500 Arbeiten ausgewählt und präsentierte diese unter dem Titel „The Family of Man“. Er wollte damit auf die Verheerungen des Zweiten Weltkrieges reagieren; er wollte von New York aus ein Zeichen der Humanität und Verständigung in die Welt senden. Die Fotografien wurden zu diesem Zweck in Themenfeldern präsentiert, die etwa Geburt und Tod, Liebe, Hochzeit und Familie, Arbeit und Freizeit behandelten. Steichens Botschaft lautete: Die Menschen sind gleich. Auch wenn sie sich hinsichtlich äußerer Merkmale voneinander unterscheiden, teilen sie doch dieselben Bedürfnisse, treffen sie sich in ihren Hoffnungen und Ängsten. Sie bilden eine große Familie.

Als die Ausstellung in Paris Station machte, zählte auch Roland Barthes zu ihren Besuchern. Der Kulturtheoretiker wandte sich Mitte der 1950er in Zeitungsartikeln Phänomenen der Alltagskultur zu und dechiffrierte diese. Die von der internationalen Presse gefeierte Ausstellung, die in Frankreich unter dem Titel „La grande famille des hommes“ gezeigt wurde, indes missfiel ihm. Die „Große Familie der Menschen“ sei nichts als ein Phantasma – so Barthes‘ vernichtende Kritik. 

Die „menschliche Gemeinschaft“ sei ein Mythos, die Ausstellung suggeriere Gemeinsamkeiten, statt sich dem Trennenden zuzuwenden. Wo gesellschaftliche Differenzen existierten, wo reale Ungleichheit und Ungerechtigkeit herrschten, beschwöre Steichen einen naiven Humanismus. Was sei denn mit dem Hinweis gewonnen, dass Kinder geboren würden, fragte Barthes. Und setzte nach: „Dass das Kind unter guten oder schlechten Bedingungen geboren wird, dass es seine Mutter Schmerzen kostet oder nicht, dass es von Sterblichkeit betroffen wird oder nicht, dass es zu dieser oder jener Form der Zukunft Zugang hat, davon müssten die Ausstellungen zu uns sprechen, und nicht von einer ewigen Lyrik der Geburt.“[1] Alternativ, so Barthes, könne man auch die Eltern von Emmet Till – der im Sommer 1955, mit nur 14 Jahren, in den Südstaaten der USA von weißen Rassisten ermordet wurde – fragen, was sie denn von der „Großen Familie der Menschen“ hielten.

Im Frühjahr 2020 kam es zu einem ähnlichen Moment des kollektiven Selbstbetrugs. Als deutlich wurde, dass sich die Coronapandemie nicht auf China beschränken würde und sich das Wissen um die eigene Gefährdetheit auf dem ganzen Globus verbreitete, schien sich eine universale Solidarität zu entwickeln, ein Beziehungsgeflecht gegenseitiger Fürsorge. Und schon bald wurden „vulnerable Gruppen“ identifiziert, die es besonders zu schützen galt. Ende März beteiligte sich an der breit geführten Diskussion um Covid auch Madonna. Via Twitter ließ der Popstar seine Follower:innen wissen, dass die Pandemie auch ihr Gutes habe. Denn das Virus mache keinerlei Unterschiede: „Es kümmert sich nicht darum, wie reich man ist, wie berühmt man ist, wie lustig man ist, wie klug man ist, wo man lebt, wie alt man ist, welche erstaunlichen Geschichten man erzählen kann.“ Sie lag dabei, das sei in Erinnerung gerufen, in einer Badewanne, auf dem Wasser trieben Blütenblätter, im Hintergrund lief Klaviermusik.[2]

Das Virus erweise sich insofern als „Gleichmacher“, als es uns alle an eine Tatsache erinnere, die wir miteinander teilten – unsere elementare Verletzbarkeit. Ob arm oder reich, ob Schwarz oder weiß, ob alt oder jung – wir alle, so die frohe Botschaft Madonnas, seien gleichermaßen gefährdet. 

Indes zeigte sich schon bald, dass die apostrophierte neue solidarische Praxis weder länder- noch klassenübergreifend war. Ohnehin war sie nur von kurzer Dauer – in den USA verließen die Superreichen ihre Villen und zogen sich auf ihre Yachten zurück. Auch hierzulande zeigte sich, dass gesundheitliche Risiken äußerst ungleich verteilt waren: In beengten Wohnverhältnissen wurden Homeoffice und Homeschooling für viele zur Zerreißprobe; häusliche Gewalt und psychische Belastungen bei Kindern und Jugendlichen stiegen in jener Zeit deutlich an. Währenddessen räumten andere in den Supermärkten Regale ein, steuerten Busse oder versorgten kranke und alte Menschen. Letztere waren oft die einzigen Zeugen beim einsamen Sterben auf Intensivstationen oder in Seniorenheimen. 

Vulnerabilität: Ein Begriff geht auf die Reise

Gleichwohl lässt sich nicht bestreiten, dass es tatsächlich der Covid-19-Pandemie geschuldet war, dass nun ein Terminus Eingang in die Alltagssprache fand, der seine Prägung anspruchsvollen sozialphilosophischen und soziologischen Diskursen verdankte.[3] Vulnerabilität – gebildet aus dem lateinischen vulnerare, verwunden – wurde nun in einer breiteren Öffentlichkeit ein häufig bemühter Begriff. Und so sprach auch Angela Merkel, die damalige Bundeskanzlerin, kurz nach Ausbruch der Pandemie in einer viel beachteten Fernsehansprache davon, „wie verwundbar wir alle sind, wie abhängig von dem rücksichtsvollen Verhalten anderer“.[4]

Blickt man nun auf den Ausbruch der Pandemie zurück, erkennt man, dass seinerzeit von vielen Akteuren genau das betrieben wurde, was Roland Barthes in seinen luziden Essays aufgedeckt hatte: Der „Mythos von der conditio humana“[5] begünstige unterkomplexe Problembeschreibungen; er suggeriere „ewige Wahrheiten“, statt den Blick für die sich fortwährend verändernden gesellschaftlichen Verhältnisse zu schärfen. Er unterstelle schicksalhafte Geschehnisse, die sich der menschlichen Steuerung entzögen, statt Fragen nach Verhältnissen, Motiven, Interessen und Verantwortung aufzuwerfen. Kurz: Der Mythos von der menschlichen Natur spricht von Natur und Schicksal, wo von Kultur und Geschichte, von Politik und Ökonomie die Rede sein müsste.

Ärgerlich war dies auch deshalb, weil aus der Sozialphilosophie, der Geschlechterforschung und der Soziologie längst anspruchsvolle Beiträge vorlagen, denen die Gratwanderung gelingt, Vulnerabilität als eine elementare Erfahrung des menschlichen Selbst- und Weltverhältnisses zu beschreiben, ohne deren gesellschaftliche Rahmung zu unterschlagen. So hatte sich schon der französische Philosoph Emmanuel Levinas dafür ausgesprochen, Verletzbarkeit nicht länger als schmerzhafte Einschränkung unserer Souveränität zu betrachten. In Beiträgen der 1960er und 1970er Jahre entwickelte er eine Leibphänomenologie, in welcher sich die Rede vom autonomen Ich als eine groteske Selbstüberschätzung erwies.[6] Wir sind nicht – so Levinas‘ zentrale Einsicht – zunächst autonom und souverän, bevor wir in der Begegnung mit einem Gegenüber der eigenen Verwundbarkeit gewahr werden. Es gibt keinen unversehrten Leib, „der der Verwundbarkeit vorausginge, sondern nur eine Leiblichkeit, die sich als Verwundbarkeit und in der Verwundbarkeit zeigt“.[7] Das heißt: Wir sind gleichsam unsere Verletzbarkeit; sie ist kein Makel, den es zu überwinden gilt. Statt Zuflucht zu verführerischen Selbstbeschreibungen wie dem autonomen Subjekt zu nehmen[8], komme es darauf an, so Levinas, den Blick auf jene eng geknüpften Sozialbeziehungen zu lenken, denen wir – ein ganzes Leben lang – unsere Existenz verdanken. Das zeigt sich schon bei der Geburt: Es sind andere, die sich unserer annehmen, die für Nahrung sorgen, für die Regulierung der Temperatur; es sind andere, die sich um uns sorgen und uns wieder zudecken, wenn wir im Schlaf die Decke zur Seite strampeln.

Judith Butler kommt nun das Verdienst zu, diesen Überlegungen eine neue Wendung gegeben zu haben. Die politische Philosophin und Geschlechterforscherin knüpft an die Ausführungen von Levinas an, verweist aber darauf, dass die „Verletzbarkeit des Menschen […] in ganz verschiedenen Formen auf der Erde verteilt“ sei.[9] Statt also die Verletzbarkeit als einen unveränderlichen anthropologischen Tatbestand zu beschreiben, lenkt sie die Aufmerksamkeit darauf, dass diese eben auch ein gesellschaftlicher Sachverhalt ist – und politisch reguliert wird. Verletzbarkeit, so Butler, ist nicht nur zwischen Geschlechtern, ethnischen Gruppen und sozialen Klassen höchst ungleich verteilt, sondern das gilt auch in globaler Hinsicht. Die Menschen des Globalen Nordens sind grosso modo ungleich weniger verletzbar als jene des Globalen Südens. Und so ist es wohl auch der Blindheit der solchermaßen Privilegierten geschuldet[10], dass Aufmerksamkeitsökonomien, Ressourcenfragen und Verteilungskämpfe kaum einmal diskutiert werden, wenn in den westlichen Metropolen Verletzbarkeit thematisiert wird. 

Eine verpasste Gelegenheit

Verletzbarkeit ist also nicht auf die individuelle Ebene begrenzt; sie verweist auch auf Organisationen und Institutionen und damit auf gesellschaftlich etablierte, anerkennungsfähige Lebensformen.[11] Es sind somit etablierte Machtverhältnisse und Mechanismen institutioneller Diskriminierung, die bestimmte Personengruppen anfällig dafür machen, verletzbar zu sein oder zu werden. Dies bedeutet auch, darüber nachzudenken, wie sich auf die höchst ungleiche Verteilung von Gefährdungen und Gewaltrisiken in politisch überzeugender Weise reagieren lässt. „Die Berücksichtigung einer gemeinsam geteilten, gleichwohl je unikal erfahrenen und erlebten Vulnerabilität verlangt nach einer egalitären Berücksichtigung und Minimierung von Gefährdetheit sowie der Überführung der Ungleichverteilung von Gefährdungslagen in ein erträgliches Maß“ – so der Philosoph Florian Pistrol.[12]

Genau dies wurde versäumt, als die Pandemie ausbrach. Und es geschieht auch weiterhin. Es ist zwar unstrittig, dass sich die Rede von „vulnerablen Gruppen“ längst eingebürgert hat; es existiert auch hier das, was der Journalist Nils Minkmar jüngst ein „diskursives Grundrauschen“ genannt hat.[13] Aber ein kollektiver Lernprozess ist gleichwohl ausgeblieben. Mit der semantischen Verbreitung des Terminus Vulnerabilität korrespondiert weder eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Verquickung von Politik, Ökonomie und Medizin noch mit dem fatalen Zusammenspiel von normativen Leitbildern und etablierten Anerkennungsordnungen. Mit anderen Worten: Eine Analyse der Biopolitik steht noch immer aus. Das moniert auch Stephan Lessenich, Direktor des Frankfurter Instituts für Sozialforschung. Er hat die politischen Maßnahmen, die seinerzeit ergriffen wurden, rückblickend treffend beschrieben. Es waren, aller Rhetorik der Verantwortung und Sorge zum Trotz, „bestimmte Leben, die zu schützen und zu retten die Regierungen der demokratisch-kapitalistischen Gesellschaften sich anschickten. Sie betrieben keine Politik für das Leben ohne Wenn und Aber, ohne Ansehen der Person, sondern eine Politik mit dem Leben, die sich durch soziale Selektivität und eine zumindest implizite Hierarchisierung des Lebenswerten auszeichnete.“[14]

Long Covid: Postinfektiös erkrankt

Insofern weisen zeitgenössische Gesellschaften ein höchst ambivalentes Verhältnis zu Verletzbarkeit auf. Dies zeigt sich beispielhaft am Umgang mit jenen, für die die Pandemie unmittelbar nachwirkt, weil sie unter postinfektiösen Folgeerkrankungen leiden. Solche Krankheitsbilder können in der Folge einer viralen oder bakteriellen Infektion auftreten, auch nach Covid-19 oder – selten – nach einer Impfung. Die Symptome sind vielfältig und reichen bis hin zum Vollbild von ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom) – der schwersten, chronifizierten Form einer postinfektiösen Erkrankung. Jahrzehntelang blieben diese Krankheitsbilder nahezu im Unsichtbaren, wurden verharmlost, ignoriert und kaum erforscht. 

Mit dem Auftreten von Long Covid haben diese Erkrankungen zwar mehr Aufmerksamkeit erhalten und intensive Forschungsbemühungen angestoßen; gleichwohl darf dies aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Teilhabe- und Versorgungssituation von Betroffenen noch immer unzulänglich, mitunter katastrophal ist.[15] So zeigt sich einmal mehr, dass bloße Sichtbarkeit noch keineswegs Anerkennung bedeutet.[16] Eine ausreichende Versorgungsinfrastruktur steht bis heute aus, im hektischen medizinischen Alltag sind Betroffene wiederholt mit Ablehnung und Unwissenheit konfrontiert. Engagierte Ärzt:innen wiederum stehen mitunter ohnmächtig vor inadäquaten Versorgungsstrukturen und fehlenden Therapieoptionen – und nehmen manches Mal ein persönliches Risiko in Kauf, wenn sie beispielsweise off-label behandeln, also Medikamente verschreiben, die für andere Anwendungsfälle zugelassen sind. 

Dringend notwendige Unterstützungsmaßnahmen wie die Anerkennung einer Behinderung, Hilfsmittel, Pflegegrad oder Rente müssen erst mühsam erkämpft werden. Dies ist teuer und zermürbend – und ohne ein unterstützendes Umfeld für Erkrankte kaum möglich. Hinzu kommt: Noch ist keine kurative Therapie gefunden, symptomlindernde Medikamente müssen finanziell oft selbst getragen werden, bedarfsgerechte Anpassungen sozialmedizinischer Regelungen – entscheidend für Versorgung und Teilhabe – sind in der Breite noch immer nicht umgesetzt. 

Das muss im Jahr 2025 auch deshalb erstaunen, weil postakute Infektionssyndrome weder neu sind noch selten auftreten und die Lebensqualität extrem einschränken können. Seit 1969 ist ME/CFS von der WHO als neuroimmunologische Krankheit gelistet. Allein für Deutschland geht eine aktuelle Studie von mehr als 600 000 Betroffenen mit ME/CFS Stand Ende 2024 aus. Hinzu kommen über 800 000 weitere Long Covid-Fälle; der volkswirtschaftliche Schaden wird jährlich auf über 60 Mrd. Euro geschätzt.[17] Etwa ein Viertel der ME/CFS-Erkrankten ist schwer- und schwerstbetroffen.[18] Ein Bericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) benennt überdies bereits für 2021 70 000 bis 90 000 an ME/CFS erkrankte Kinder und Jugendliche.[19] 

Unsichtbares Leid(en)

Schon bei „milder“ Ausprägung müssen Menschen, die an ME/CFS erkrankt sind, eine drastische Einschränkung ihrer Alltags- und Erwerbsfähigkeit hinnehmen. Einige schaffen es manchmal noch, soziale Kontakte zu pflegen oder reduziert einer Arbeit nachzugehen. Doch was von außen wie ein funktionierender Körper aussieht, kostet meist so viel Energie, dass für alles andere nichts mehr bleibt. Besonders einschneidend ist die Situation für schwer und schwerst Erkrankte und deren soziales Umfeld. Betroffene sind dauerhaft pflegebedürftig; oftmals sind sie auf abgedunkelte Räume angewiesen, da selbst minimale Reize wie Licht, Geräusche oder eine Berührung unerträgliche Symptome auslösen können. Und all dies geschieht häufig ohne palliative, mitunter sogar ohne jegliche medizinische Versorgung und soziale Unterstützung. Die Lage betroffener Kinder, Jugendlicher und ihrer Familien ist nicht weniger dramatisch. In dieser prägenden Lebensphase drohen nicht nur der Verlust des geteilten Alltags, sondern auch von Bildung und sozialem Miteinander. Überdies geraten viele Familien durch Misstrauen im schulischen, medizinischen oder behördlichen Umfeld zusätzlich unter Druck. Immer wieder berichten Eltern von Konflikten mit Jugendämtern, pauschaler Abwertung ihrer Sorgearbeit und drohendem Sorgerechtsentzug.[20] Die Folgen sind gravierend: Die betroffenen Familien leben auch deshalb in einem permanenten Ausnahmezustand, weil bestehende Versorgungs- und Schulsysteme kaum auf die Bedürfnisse dieser schwerkranken Kinder und Jugendlichen eingestellt sind.

Verdrängt wird zudem, dass postakute Infektionssyndrome auch jene gesellschaftlichen Gruppen treffen, die ohnehin als besonders vulnerabel gelten müssen – People of Color, Transgender-Personen, Menschen mit Beeinträchtigungen, Marginalisierte und andere. Auch hier zeigt sich wieder die gesellschaftspolitische Dimension von Verletzbarkeit. 

Die fehlende institutionelle Anerkennung postakuter Infektionssyndrome bedeutet indes nicht allein medizinische Fehl- oder Unterversorgung; sie erschwert vielen Betroffenen auch den Zugang zu sozialen Sicherungssystemen und gesellschaftlicher Partizipation. Es droht mithin ein langfristiger oder gar dauerhafter Verlust von Teilhabe in allen Lebensbereichen. Das ist nicht nur in ethischer Hinsicht inakzeptabel, sondern auch politisch und ökonomisch höchst kurzsichtig. Unlängst hat der ehemalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein Staatsversagen im Umgang mit ME/CFS eingeräumt.[21] Damit ist bei weitem nicht nur ein Versorgungsproblem adressiert; es birgt darüber hinaus die Gefahr, dass das Vertrauen in staatliche Institutionen weiter erodiert. Der Markt „alternativer“ Heilsversprechen boomt, und längst haben demokratiefeindliche Akteure auch dieses Thema für sich entdeckt und versuchen, Betroffene zu instrumentalisieren. „In erster Linie“, fasst es der Journalist Martin Rücker treffend zusammen, „sind die potenziell so schweren postviralen Erkrankungen damit ein soziales Problem“.[22] Wie lässt sich das erklären, obwohl die gravierenden individuellen und gesellschaftlichen Folgen doch hinlänglich bekannt sind?

ME/CFS: Eklatant unterschätzt

Hinter ME/CFS – zuweilen unpräzise als „Fatigue-Syndrom“ bezeichnet – verbirgt sich eine komplexe Multisystemerkrankung, die nicht gut in gängige medizinische Klassifikationssysteme und Versorgungslogiken passt und bei der übliche Therapie- und Diagnoseverfahren schnell an ihre Grenzen stoßen. Dies liegt auch an den Leitsymptomen: Dazu zählen insbesondere schwere Erschöpfung (Fatigue) und eine spezifische Belastungsintoleranz[23], starke Reizempfindlichkeit, kognitive Störungen, chronische Schmerzen, schwere Schlaf- und Kreislaufprobleme, immunologische und neuropsychiatrische Beeinträchtigungen. Wird die individuelle Belastungsgrenze überschritten, kann es zu einer dramatischen Verschlechterung des gesamten Gesundheitszustands kommen. Dafür können schon geringe Anstrengungen ausreichen – ein Spaziergang, eine Stunde mit der Familie verbringen, ein Gespräch führen, Essen zu sich nehmen, gewaschen werden oder auch nur ein leises Geräusch. Betroffene können im Rahmen ihrer Belastungsgrenzen also durchaus gewisse Leistungen abrufen. Die schwerwiegenden Konsequenzen werden erst später spürbar – bis zu 72 Stunden nach einer Belastung, und dann für Stunden, Tage, Wochen oder dauerhaft. Betroffene sind daher gezwungen, ihr Selbst- und Weltverhältnis grundlegend neu auszurichten.

Was für Außenstehende unverständlich wirken kann, dass selbst kleine und angenehme Tätigkeiten zu einer beträchtlichen Verschlimmerung führen können, trägt unweigerlich zu Missverständnissen bei: Weil die Krankheit weder auf den ersten Blick sichtbar ist noch konstant verläuft und überdies ein einheitlicher diagnostischer Marker aussteht, wird sie mitunter zu einer Frage von Motivation und Einsicht umgedeutet. Eine solche Sichtweise verkennt das Leiden an ME/CFS auf grundlegende und dramatische Weise. Sie trägt dazu bei, dass die Erkrankung eklatant unterschätzt wird. 

Wenn Betroffene versuchen, ihr Leben den begrenzten Energieressourcen anzupassen, wird medizinisch von Pacing gesprochen. Es geht darum, Aktivitäten aller Art einzuteilen und die schwankenden individuellen Belastungsgrenzen zu berücksichtigen. Genau dieser Umstand – dass Aktivierung und Anstrengung eben nicht zu einer Verbesserung führen, sondern eine Verschlechterung zur Folge haben können – widerspricht indes dem, was als gesellschaftlich anerkennungswürdig gilt und in Therapiekontexten, wie etwa nach einem Schlaganfall, üblicherweise erwartet wird. Doch längst nicht alle Therapie- und Rehaeinrichtungen sind ausreichend darüber im Bilde, geschweige denn darauf eingerichtet. Erschwerend kommt hinzu, dass sich auch andere häufig ausgelaugt und erschöpft fühlen und dies bisweilen fälschlicherweise mit postviraler Fatigue gleichsetzen. Nicht alleine das diagnostische, sondern auch das soziale und epistemische (Un-)Sichtbarkeitsproblem spielen also eine Rolle, wenn es um die Anerkennung von Leiden und Verletzbarkeit bei diesen Krankheiten geht.

Ein instrumentelles Verständnis des Körpers

Sowohl Krankheitsbild als auch Bewältigungsmechanismen weichen somit vom Gewohnten deutlich ab; sie laufen den Erwartungen an Verletzbarkeit zuwider. Dies korrespondiert mit einem vorherrschend instrumentellen Verständnis des Körpers.[24] Er erscheint – im Unterschied zum Leib – als ein weitgehend gestaltbares Objekt. Er soll nicht nur funktionieren, sondern fortwährend optimiert werden und im Krankheitsfalle möglichst rasch wieder herzustellen sein. In ähnlicher Weise wird auch die Psyche modelliert. Dies ist selbst bei vermeintlichen Gegenbewegungen wie dem Lob von Achtsamkeit, Selbstakzeptanz und Entschleunigung der Fall. Auch sie folgen letztlich der Maxime, die Funktionsfähigkeit selbst unter widrigen Bedingungen aufrechtzuerhalten und sich als „resilient“ zu erweisen.[25] Kurz: Noch im Leid soll das Subjekt funktional bleiben. In der Folge liegt die Verantwortung für Gesundbleiben und Gesundwerden beim Einzelnen: „[A]lle sind aufgefordert, aktiv zu werden – ihre je spezifischen Ressourcen in produktiver Weise zu nutzen, um der Allgemeinheit keine unnötigen Risiken aufzuerlegen“[26]. Sichtbare Aktivität wird zur sozialen Norm, zur Bedingung individueller Anerkennung und gesellschaftlicher Integration – und erhält so auch eine moralische Dimension. Strukturelle sowie institutionelle Bedingungen treten dann zwangsläufig in den Hintergrund.[27] Dazu kommen scharf geführte Kämpfe um die Deutungsmacht innerhalb des Medizinsystems, die bisweilen auch von öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen begleitet werden.[28] Und bei der unzulänglichen Thematisierung mag auch die Tatsache eine Rolle spielen, dass von ME/CFS mehrheitlich Frauen betroffen sind – wahrscheinlich aufgrund ihres Immunsystems.[29] Dieses fatale Zusammenspiel führt dazu, dass postakuten Infektionssyndromen noch immer die gesellschaftliche Anerkennung verweigert wird. Es ist daher notwendig, solche Erkrankungen nicht länger als ausschließlich medizinisches Phänomen oder etwa als reines Versorgungsproblem zu betrachten. Vielmehr rufen sie die gesellschaftliche Dimension von Verletzbarkeit in Erinnerung und rücken kollektiv verwurzelte normative Erwartungen in Bezug auf Gesundwerden und Kranksein, Leistung, Bedürftigkeit und Fortschritt in den Blick.[30] Überdies zeigt die Auseinandersetzung mit dieser Gruppe von Krankheiten einmal mehr, dass auch im Gesundheitssystem mit Machtasymmetrien und Stereotypen, mit Stigmatisierung und Diskriminierung zu rechnen ist. 

Verletzbarkeit als Erkenntnisinstrument

Eine gesellschaftstheoretisch informierte Auseinandersetzung mit ME/CFS und Long Covid zeigt, dass das Wissen um Verletzbarkeit immer wieder abgespalten wird. Sie passt nicht zum Bild des selbstverantwortlichen, belastbaren Subjekts. Und sie durchkreuzt die Selbstbeschreibung einer wettbewerbsförmigen, leistungsorientierten Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, weshalb postinfektiös Erkrankte mit Widerständen, Ausschlüssen und auch Psychologisierungen konfrontiert sind.[31] Womöglich ist es diese Verdrängung, die schon im Begriff Long Covid eine Zumutung erkennt – als schmerzhafte Erinnerung daran, dass die Pandemie noch immer nicht vorüber ist und die gesundheitlichen wie auch sozialen Folgen immens sind. Somit konfrontiert uns diese Krankheit mit der eigenen Verletzbarkeit – und ruft immer wieder aufs Neue Abwehrmechanismen und Immunisierungen hervor.[32] Und das, obwohl – oder gerade weil – es jede:n treffen kann.

Indes verbergen sich hinter Statistiken und Zahlenkolonnen verletzbare Menschen, die mit persönlichen, sozialen und ökonomischen Verlusten durch die Erkrankung umgehen müssen. Es kommt hinzu, dass vielen Betroffenen das widerfährt, was die Philosophin Miranda Fricker epistemische Ungerechtigkeit nennt: Weil ihre Symptome sich gängigen Klassifikationen entziehen und hegemoniale Muster gesellschaftlicher Selbstthematisierung konterkarieren – sie bedienen eben nicht die Semantik von Steigerung und Erfolg, Gelingen und Entfaltung –, wird ihren Erfahrungen und Aussagen die Glaubwürdigkeit abgesprochen.[33] Krankheit wird dann individualisiert und psychologisiert, gilt als Scheitern. Sie wird mithin nicht als kollektives Phänomen betrachtet, sondern der Einzelperson zugeschrieben – und das mit oft verheerenden Folgen für die Selbstwahrnehmung. 

Am Beispiel dieser Erkrankungen wird deutlich, wie die eigentümliche (Un-)Sichtbarkeit nicht allein dazu führt, dass Leiden individualisiert wird. Die Betroffenen sind gleich auf doppelte Weise mit ihrer Verletzbarkeit konfrontiert: Sie werden verletzt durch die Erkrankung selbst, aber eben auch durch den gesellschaftlichen Umgang damit. So tritt zum körperlichen Leiden das soziale hinzu. Zugleich zeigt der Blick auf diese Erkrankungen, dass auch zwischen und innerhalb von vulnerablen Gruppen Verletzbarkeit nicht gleichermaßen ausgeprägt und verteilt ist. 

Erforderlich ist daher ein grundlegendes Umdenken im Umgang mit Verletzbarkeit. Sie erinnert uns an Grunderfahrungen des Menschseins und Menschwerdens – und ist doch weit mehr als eine anthropologische Tatsache oder ein persönliches Schicksal. Verletzbarkeit ist auch keine individuelle Befindlichkeit. Vielmehr wird sie auf gesellschaftlicher Ebene fortwährend neu ausgehandelt. Ihre bis heute ausstehende umfängliche Anerkennung verweist mithin auf machtvolle Diskurse, normative Ordnungen und gesellschaftliche Leitbilder, auf systemische Funktionslogiken und strukturelle Diskriminierung. Und nicht zuletzt auf ökonomische Interessen und die globalisierte Ungleichheit. 

Moralische Appelle und Anteilnahme reichen indes nicht aus, um ein grundlegendes Umdenken auszulösen. Diese Anstrengungen müssen zwingend von institutionellen und strukturellen Veränderungen im Bereich der Politik, der Medizin und des Versorgungswesens begleitet werden. Nicht weniger dringend sind die gesellschaftstheoretische Durchdringung sowie die ethische Reflexion dessen, was wir hier zu skizzieren unternommen haben. Unbequem ist dies wohl auch deshalb, weil diese Erkrankungen etwas zur Sprache bringen, das über sie selbst hinausweist – sie berühren nicht nur brisante Fragen gesellschaftlicher Inklusion und Exklusion, sondern auch solche der Fürsorge, der Anerkennung und jene nach einem guten Leben. So gilt auch hier, was der eingangs erwähnte Roland Barthes in Erinnerung gerufen hatte: Individuelle Erfahrungen sind aufs Engste mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen verwoben.

[1] Roland Barthes, Mythen des Alltags. Aus dem Französischen von Helmut Scheffel, Frankfurt a. M. 1964, S. 18.

[2] Vgl. Milena Feldmann und Markus Rieger-Ladich, Privatheit, Öffentlichkeit, Solidarität, Corona-Blog 2020.

[3] Vgl. Stephan Lessenich, Vulnerabilität, in: Ulrich Bröckling u.a. (Hg.), Glossar der Gegenwart 2.0, Berlin 2024, S. 404-414.

[4] Ebd., S. 405.

[5] Barthes, Mythen des Alltags, a.a.O., S. 17.

[6] Vgl. etwa Emmanuel Levinas, Jenseits des Seins oder anders als Sein geschieht, Freiburg im Breisgau 1992; ders., Humanismus des anderen Menschen, Hamburg 1989.

[7] Peter Zeilinger, Nachträgliche Humanität und der Ansatz zur Gemeinschaft beim späten Levinas, in: Reinhold Esterbauer und Martin Ross (Hg.), Den Menschen im Blick. Phänomenologische Zugänge, Würzburg 2012, S. 89-108, hier: S. 98.

[8] Vgl. Käte Meyer-Drawe, Illusionen von Autonomie. Diesseits von Ohnmacht und Allmacht des Ich, München 2000.

[9] Judith Butler, Gefährdetes Leben. Politische Essays, Frankfurt a. M., 2005, S. 49.

[10] Vgl. Markus Rieger-Ladich, Das Privileg. Kampfvokabel und Erkenntnisinstrument, Ditzingen 2022; Peggy McInstoh, Weißsein als Privileg. Die Privilege Papers, Ditzingen 2024.

[11] Vgl. Andreas Reckwitz, Verlust. Ein Grundproblem der Moderne, Berlin 2024.

[12] Florian Pistrol, Vulnerabilität. Erläuterung zu einem Schlüsselbegriff im Denken Judith Butlers, in: „Zeitschrift für Praktische Philosophie“, 1/2016, S. 233-272, hier: S. 259.

[13] Nils Minkmar, Es heißt Krieg, verdammt noch mal, in: „Süddeutsche Zeitung“, 21./22.6.2025, S. 15.

[14] Lessenich, Vulnerabilität, a.a.O., S. 405.

[15] Vgl. etwa Frédéric Valin, Der Schrecken geht weiter, in: „Jungle World“, 26.6.2025.

[16] Vgl. Axel Honneth, Verwilderungen. Kampf um Anerkennung im frühen 21. Jahrhundert, in: APuZ, 1-2/2011, S. 37-45.

[17] Vgl. James Daniell u.a., The rising cost of Long Covid and ME/CFS in Germany, Hamburg und Karlsruhe 2025.

[18] Vgl. Anna Brock, LCovB – Versorgungsstudie zur Situation der schwerstkranken ME/CFS-Betroffenen, Berlin, ME/CFS Symposium am 13.5.2025, S. 5.

[19] Vgl. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, ME/CFS–Aktueller Kenntnisstand, Abschlussbericht N21-01, 17.4.2023, S. 27.

[20] Vgl. etwa Uta Behrends, Stellungnahme vom 2.6.2021, Anhörung ad ME/CFS im Landtag NRW am 10.6.2021, landtag.nrw.de. 

[21] Karl Lauterbach, „Das ist ein Staatsversagen“, in: „Der Spiegel“, 30/2025, S. 24-25. 

[22] Martin Rücker, Die Krankheit nach der Krankheit. Deutschland in der Long-Covid-Krise, in: „Blätter“, 12/2023, S. 117-122.

[23] Die sogenannte Post-Exertional Malaise (kurz: PEM) beschreibt eine zeitverzögerte, drastische Verschlechterung aller Symptome schon nach geringer körperlicher, kognitiver oder emotionaler Anstrengung. 

[24] Vgl. Iris Marion Young, Werfen wie ein Mädchen. Ein Essay über weibliches Körperbewusstsein, Ditzingen 2020; Martin Huth, Vulnerabel-sein und -werden: Die Corona-Pandemie im Lichte einer Phänomenologie der Vulnerabilität, in: „Journal Phänomenologie“, 54/2020, S. 8-27.

[25] Vgl. Thomas Lemke, Resilienz, in: Ulrich Bröckling u.a. (Hg.), Glossar der Gegenwart 2.0, Berlin 2024, S. 335-345.

[26] Stephan Lessenich, Die Neuerfindung des Sozialen. Der Sozialstaat im flexiblen Kapitalismus, Bielefeld 2013, 3. Auflage, S. 120.

[27] Vgl. Andreas Reckwitz, a.a.O., Berlin 2024; Axel Honneth, Kampf um Anerkennung. Zur Grammatik sozialer Konflikte, Frankfurt a. M. 1994.

[28] Dies illustriert beispielsweise die Diskussion über die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Neurologie „Zum aktuellen Forschungsstand bei ME/CFS“ im Juli 2025.

[29] Vgl. Elinor Cleghorn, Die kranke Frau. Wie Sexismus, Mythen und Fehldiagnosen die Medizin bis heute beeinflussen, Köln 2022, 2. Auflage.

[30] Vgl. Jürgen M. Steinacker und Eva-Maria Klinkisch, Zwischen Fortschritt und Unsichtbarkeit. Überfordern postvirale Fatigue-Syndrome Medizin und Gesellschaft?, in: „Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin“, März 2024, S. 37-40.

[31] Zur Stigmatisierung bei postakuten Infektionssysdromen und der Psychologisierung dieser Erkrankungen vgl. Ronja Büchner et al., „Have you considered that it could be burnout?“ – psychologization and stigmatization of self‑reported long COVID or post‑COVID‑19 vaccination syndrome, in: „BMC Medicine“, 23/2025, Article 488, bmcmedicine.biomedcentral.com; Viele Menschen mit Long COVID erleben Stigmatisierung und Psychologisierung, in: „Deutsches Ärtzeblatt“, 22.8.2025, aerzteblatt.de.

[32] Vgl. Isabell Lorey, Figuren des Immunen. Elemente einer politischen Theorie, Zürich 2011.

[33] Vgl. Miranda Fricker, Epistemische Ungerechtigkeit. Macht und die Ethik des Wissens, München 2023.

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

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