Ausgabe April 2025

Trump zum Zweiten: Gesundheitspolitik als Kampffeld

Ein Kind wird im Hossainpur Upazila Health Complex in Kishoreganj, Bangladesch, medizinisch behandelt. In Bangladesch wurden mehr als 100 von USAID finanzierte Projekte im Wert von 200 Millionen Dollar ausgesetzt, 10.2.2025 (IMAGO / SOPA Images)

Bild: Ein Kind wird im Hossainpur Upazila Health Complex in Kishoreganj, Bangladesch, medizinisch behandelt. In Bangladesch wurden mehr als 100 von USAID finanzierte Projekte im Wert von 200 Millionen Dollar ausgesetzt, 10.2.2025 (IMAGO / SOPA Images)

Die ersten Monate der zweiten Trump-Präsidentschaft haben weltweit zu massiven „Disruptionen“ geführt – nicht nur in der Außen-, Entwicklungs-, Migrations-, und Wirtschaftspolitik, sondern auch im Feld der Gesundheitspolitik. Dies hat sowohl Auswirkungen in den USA selbst als auch in den multilateralen Organisationen, denen das Land angehört. Bereits am ersten Tag seiner Amtszeit ordnete Trump den Austritt der Vereinigten Staaten aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an und verbot allen US-amerikanischen Expert:innen die Zusammenarbeit mit der Organisation. Mitte Februar bestätigte der US-Senat Trumps umstrittenen Kandidaten für das Amt des Gesundheitsministers, den Impfskeptiker Robert F. Kennedy Jr., nachdem er dem für Gesundheitspolitik zuständigen Senatskomitee Zusagen über eine „partnerschaftliche Zusammenarbeit“ gemacht und das Zugeständnis gegeben hatte, die Bundesbehörde weiterhin wissenschaftlich zu leiten.

Den Bundesgesundheitsbehörden – etwa den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und den National Institutes of Health (NIH) – verpassten Trump und sein Umfeld gleich in den ersten Tagen faktisch einen Maulkorb, wichtige Webseiten mit Informationen zu sexueller und reproduktiver Gesundheit oder der vermeintlichen „Genderideologie“ sind seitdem nicht mehr abrufbar. Aber auch die internationalen Expert:innennetzwerke im Bereich der globalen Epidemie- und Pandemieüberwachung und Kontrolle sind durch das Verbot der Kooperation mit den US-amerikanischen Behörden massiv eingeschränkt. Die Expertise von CDC und NIH ist so schnell kaum zu ersetzen. Ebenso blockierte Trump bereits in den ersten Amtstagen die Programme zu Diversität, Gleichstellung und Inklusion aller Bundesbehörden. Auch das Pentagon und die Streitkräfte sind davon nicht ausgenommen: Diese dürfen fortan keine transgender Personen mehr in ihre Reihen aufnehmen. Wie zu erwarten war, setzte Trump auch die sogenannte Mexiko-City-Politik wieder in Kraft – ein Erbe der Reagan-Ära, mit dem allen Empfänger:innen von US-amerikanischer Auslandshilfe die Durchführung und Förderung von sowie die Aufklärung über Abtreibungen verboten wird, wollen sie die US-Unterstützung nicht verlieren.

Dieser faktische „Kulturkampf“ gegen ein umfassendes Verständnis und die Anerkennung einer diversen Geschlechtsidentität ist nicht neu, aber er eskaliert gerade massiv, forciert nicht nur durch die US-Regierung. Unerwartet trug auch der argentinische Präsident Javier Milei diesen Kreuzzug ins diesjährige Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos. Statt sich zu seiner Wirtschaftspolitik per „Kettensäge“ zu äußern, machte er dort den „kranken Wokeismus“ einer radikalen Genderideologie für Kindesmissbrauch verantwortlich und kündigte an, in Argentinien den Femizid als Straftatbestand abzuschaffen.[1] 

War Trumps Ausstieg aus der WHO schon erwartet worden, so traf die „Kettensäge“ des neuen, demokratisch nicht legitimierten Doge-Chefs und Trump-Beraters Elon Musk die Betroffenen der Entwicklungszusammenarbeit und ihrer Behörde USAID nahezu unerwartet. 

Der Kreuzzug gegen USAID

Denn diese wird traditionell von beiden großen Lagern in den USA, den Republikanern und den Demokraten, unterstützt und hat seit den 1960er Jahren einen beträchtlichen Anteil an der globalen Soft Power der USA. Die Förderung globaler Gesundheitsprogramme ist dabei eine wesentliche Komponente, nicht zuletzt durch den 2003 von Präsident George W. Bush eingeführten „President‘s Emergency Plan for AIDS Relief“ (PEPFAR), der vor allem in afrikanischen Ländern einen bedeutenden Teil der dortigen Programme zur Prävention von HIV/AIDS und der Versorgung mit entsprechenden Medikamenten finanziert und so Millionen Menschen eine langfristige Überlebenschance sichert.

 Auch wenn der Widerstand gegen diese Entscheidungen über Mittelkürzungen und Personalentlassungen inzwischen vor den Gerichten erste Erfolge zeigt, so verdeutlicht auch diese „tabula rasa“-Politik den ideologischen Charakter der neuen US-Regierung und ihres Kampfes gegen die vermeintlich „linksradikale USAID“.[2] Die Mittel von PEPFAR finanzieren gezielt Programme für Zielgruppen wie Sexarbeiter:innen, sexuelle Minderheiten und Drogenabhängige, die durch nationale Gesundheitsprogramme kaum erreicht werden. Dies mag teilweise die besondere Obsession von Trump und Musk in ihrem „Kreuzzug“ gegen PEPFAR und USAID erklären, doch dieser richtet sich letztlich gegen die gesamte bisherige globale Gesundheitspolitik der USA. Neben dem HIV/AIDS-Bereich sind auch Programme zur Bekämpfung von Tuberkulose und Malaria betroffen; bei Programmen zur Familienplanung fehlen dringend benötigte Medikamente, werden Tausende Mitarbeitende entlassen und wird die Arbeit eingestellt. 

Rechte Allianzen gegen globale Verantwortung

Trumps Abneigung gegen die WHO wurde schon in seiner ersten Amtszeit zu Beginn der Coronapandemie deutlich und hatte bereits damals eine klare geopolitische Tönung: Dem WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus warf er vor, sich in der Klärung der Frage, woher das Coronavirus stammt, zu diplomatisch gegenüber China verhalten zu haben. Dieses Argument findet sich auch in seinem Dekret, mit dem er den Austritt der USA aus der WHO begründet.[3] Auch die vermeintlich übermäßigen Mitgliedsbeiträge, die die USA zu zahlen hätten, führt Trump in seiner Austrittsbegründung an. Tatsächlich orientieren sich diese an der allgemein üblichen Kostenverteilung innerhalb der Vereinten Nationen, und diese weist den USA aufgrund ihrer Wirtschaftsstärke 22 Prozent der Gesamtkosten zu.[4] Ausschlaggebend scheinen für Trump – wie auch für Milei, der gut zwei Wochen nach Trump den Austritt Argentiniens aus der WHO ankündigte, – aber die Souveränitätsverluste zu sein, die die multilateralen Institutionen in den Mitgliedsländern angeblich verursachten. 

Entgegen fortwährenden Beteuerungen des WHO-Generaldirektors, dass es die Mitgliedstaaten selbst sind, die konkrete gesundheitspolitische Maßnahmen festlegen, ist die Gesundheitsorganisation im Zuge der Pandemie – und angeheizt durch eine „Infodemie“ von Fake News etwa über mögliche Nebenwirkungen der Covid-19-Impfstoffe – für einen großen Teil der Öffentlichkeit zu einem Sündenbock geworden, auf den sich bequem Frustrationen, Ängste und Verlusterfahrungen projizieren lassen.[5] In Deutschland tat sich mit derartiger Kritik vor allem die AfD hervor. Die Partei pflegt enge Verbindungen zu Coronaleugnern und teilt deren Diskurs gegen Eliten, Expert:innen und alle, „die da oben“ angeblich für die Fremdbestimmung des eigenen Lebens verantwortlich sind. Deutlich zeigte sich dies bei der Bundestagsdebatte am 16. Mai 2024 über den Pandemievertrag. Der vermeintliche Souveränitätsverlust, der durch den kommenden Pandemievertrag und die bereits im selben Monat durch die Weltgesundheitsversammlung verabschiedeten „Internationalen Gesundheitsvorschriften“ verursacht würde, bildete den Kern ihrer Kritik.[6] Dieser Allianz aus rechten WHO-Kritiker:innen, der sich jüngst auch der ungarische Premierminister Viktor Orbán[7] und der italienische Lega-Chef Matteo Salvini[8] anschlossen, setzten die übrigen Mitgliedsländer in der Sitzung des WHO-Exekutivrates Anfang Februar wenig mehr entgegen als ein allgemeines Bekenntnis zur Bedeutung der Weltgesundheitsorganisation für die Durchsetzung globaler Normen, für die globale Unterstützung in Gesundheitskrisen und den Aufbau von Gesundheitssystemen in den Ländern des Globalen Südens. 

Anstatt sich deutlich für eine Stärkung der unabhängigen Finanzierung der WHO durch steigende Mitgliedsbeiträge einzusetzen, wie es schon drei Jahre zuvor vereinbart worden war, und dies auch mit konkreten Beiträgen zu untermauern, stellte gerade China diesen Konsens wieder infrage und bot auch keine zusätzlichen freiwilligen Mittel an. Dabei werden diese dringend benötigt. Denn der Verlust von 22 Prozent der ungebundenen WHO-Beiträge der USA – für 2024 und 2025 belaufen sich diese auf etwa 260 Mio. US-Dollar – sowie der fast dreimal so hohen zusätzlichen freiwilligen US-Mittel für spezifische Programme zur Bekämpfung und Kontrolle der Kinderlähmung, von Malaria, HIV/AIDS und globalen Infektionsausbrüchen, die für 2024 und 2025 etwa 730 Mio. US-Dollar betragen,[9] wird die Arbeit der Organisation und vor allem deren Planung für die kommenden Jahre massiv einschränken. Als Notfallmaßnahmen wurden bereits alle Neueinstellungen gestoppt und Reisen auf ein Minimum reduziert, internationale Treffen werden fortan vorrangig virtuell abgehalten.

Wem gehört die WHO?

Tatsächlich stießen die Appelle des Generaldirektors in seiner Eröffnungsrede an die Mitglieder des Exekutivrates, die WHO als „ihre Organisation“ zu begreifen, sichtbar ins Leere. Während die Länder des Globalen Südens immer wieder die Unterstützung ihrer schwachen Gesundheitssysteme fordern, sehen sich die wohlhabenden Länder in der Geberrolle und mahnen seit langem Reformen der WHO-Strukturen an, die die Organisation effizienter und schlagkräftiger machen sollen. 

Damit gerät die WHO allerdings immer stärker in die Rolle einer „implementing Agency“, einer nur noch ausführenden Agentur, die medizinische Hilfsteams koordiniert und Impfkampagnen organisiert – wie aktuell gegen Mpox in der DR Kongo, Ebola in Uganda oder den im vergangenen Sommer befürchteten Polioausbruch im Gazastreifen. Drastisch zeigte sich dies in den Vorschlägen auf der Exekutivratssitzung vom Februar, nur noch solche Resolutionen mit neuen Aufgaben für die WHO zu verabschieden, für die es auch eine finanzielle Absicherung gibt. Zwar erscheint das auf den ersten Blick sinnvoll, es überwindet aber gerade nicht das Dilemma einer bereits jetzt fragmentierten Organisation, die jährlich 3000 Berichte für einzelne Geldgeber erstellen muss. 

Dagegen hatte die WHO in ihrem ersten „Investment case“ 2024, einem Kampagnenpapier zum Einwerben von Geldern, gerade für eine möglichst flexible und ungebundene Finanzierung geworben und für 2025 bis 2028 immerhin knapp 1,7 Mrd. US-Dollar an Zusagen sichern können[10] – davon allerdings drei Viertel von den „traditionellen Geberländern“ aus Europa. Gerade die Finanzierungsrunde beim G20-Gipfel in Brasilien im November 2024 war wenig erfolgreich, China „investierte“ mit 20 Mio. Dollar weniger als ein Zehntel der Beträge Deutschlands oder der Europäischen Kommission und wurde selbst von Indonesien mit 30 Mio. Dollar überholt. Russland, Mexiko, Argentinien und auch Brasilien hielten sich komplett zurück.

Damit wird sich ein Trend verstärken, in dem die WHO noch mehr als bisher auf „Partnerschaften“ setzen wird. Gemeint sind nicht nur Partnerschaften mit großen philanthropischen Stiftungen, ohne die wichtige Teile der Arbeit der WHO gar nicht mehr möglich wären – die Gates Foundation beispielsweise finanziert den Löwenanteil des Programms zur Bekämpfung von Polio, mit dem in vielen Ländern des Globalen Südens wichtige Überwachungsmaßnahmen getätigt werden –, sondern auch Partnerschaften mit Unternehmen etwa aus der Pharmaindustrie, die Medikamente für WHO-Programme spenden, oder der FIFA, mit der die WHO ein Programm zur Förderung „gesunder Lebensweisen“ durch Fußball betreibt. Auch die Gründung einer „WHO-Stiftung“,[11] die bei Philanthropen, Unternehmen und Investoren um Spenden wirbt, hat eine ähnliche Stoßrichtung.

Viele zivilgesellschaftliche Organisationen, die die WHO seit vielen Jahren in „kritischer Solidarität“ begleiten, halten diese zunehmende Abhängigkeit für hochproblematisch, weil sie die Basis einer am öffentlichen Interesse orientierten Gesundheitsarbeit unterminieren könnte. Interessenkonflikte, etwa zwischen der Pharmaindustrie und dem Ziel einer bestmöglichen öffentlichen Gesundheitsversorgung, werden in einer solchen Abhängigkeit systematisch kleingeredet und verschleiert.[12] Gerade deshalb ist die Unabhängigkeit der WHO, die laut ihrer Verfassung von 1948 dem Recht aller Menschen auf den höchsten erreichbaren Zustand der Gesundheit verpflichtet bleibt,[13] so eminent wichtig. Wenn dies nur ohne das (bislang) finanzstärkste Mitglied und möglicherweise seine Vasallen geht, dann stehen die anderen Mitglieder umso mehr in der Pflicht, diese Institution weiter zu sichern und den USA klar die Grenzen aufzuzeigen, die eine Verweigerung der Mitgliedschaft mit sich bringt. Ob die Vorteile des Austritts aus einem etablierten globalen System des Teilens von Informationen, Normen und Verantwortung die zu erwartenden negativen Folgen überwiegen werden, wird die US-Regierung dann in Zukunft für sich entscheiden müssen.
 

[1] Rede von Milei beim Weltwirtschaftsforum in Davos, (engl. Original), blaetter.de, 23.1.2025. 

[2] Why Is Elon Musk Attacking USAID? How Partisan Politics Made Foreign Aid Agency Suddenly So Controversial, forbes.com, 3.2.2025.

[3] Withdrawing The United States From The World Health Organization, whitehouse.gov, 20.1.2025. 

[4] Funding the United Nations: How Much Does the U.S. Pay?, cfr.org, 29.2.2024.

[5] Wie sich die Infodemie mit digitalen Lösungen bekämpfen lässt, um Gesundheitsrisiken während der COVID-19-Pandemie und darüber hinaus zu verringern, who.int, 27.6.2022.

[6] Kontroverse Debatte über den WHO-Pandemievertrag, bundestag.de, 16.5.2024.

[7] Hungary floats WHO withdrawal after Trump and Milei exits, politico.eu, 6.2.2025. 

[8] Italy’s far-right League party backs Trump’s WHO exit, politico.eu, 24.1.2025.

[9] Contributors, open.who.int.

[10] WHO’s Investment Round – Commitments, who.int, 24.1.2025.

[11] who.foundation. 

[12] Vgl. FENSA – a fence against undue corporate influence?, globalpolicy.org , September 2016.

[13] Constitution of the World Health Organization, who.int.

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

80 Jahre UNO: Auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit?

von Jan Eijking

Am 24. Oktober feiern die Vereinten Nationen ihr 80. Jubiläum – doch Anlass zum Feiern gibt es kaum. Das UN-System befindet sich in einem bespiellos schlechten Zustand. In der aktuellen Krise zeigen sich strukturelle Probleme, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der UN ziehen.