Ausgabe März 2001

Österreichs Osttaktik

Die kleine Politik bewegt sich immer auf dem großen Feld zwischen Wahrheit und Wirklichkeit, da die erste nur selten mit der zweiten übereinstimmt. Vor allem in Österreich, wo die Lieblingsfarbe aller Vergangenheitsbeschöniger aus Vergessen und Verdrängen gemixt wird . Kein Wunder also, dass Wien Geburtsstätte der Psychoanalyse und der Mentiologie (der Lehre von der Lüge) ist. So auch auf dem geraden (Slalom-)Weg der Politik zur EU-Erweiterung. Das Hauptdilemma der Regierung vorweg: Sie glaubt nicht wirklich an die Europa- (inklusive Erweiterungs-) Gesinnung der Bevölkerung, deshalb laviert sie zwischen Extrempositionen. So glaubte zum Beispiel im Spätherbst vorigen Jahres Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, ihren Landsleuten die "Erweiterung" mit "k.u.k."-Nostalgie schmackhaft machen zu müssen, und schlug, nach Benelux-Modell, die Schaffung einer "Mitteleuropagruppe" innerhalb der EU vor.

Hier klingt die Nachkriegs-Politlüge des offiziellen Österreich ("Brücke zwischen Ost und West") nach. Kein Wunder, dass EU-Erweiterungskommissiar Günter Verheugen die Pläne der Ministerin mit einem lapidaren "Solche Überlegungen passen nicht in die Gemeinschaft" 1) abtat. Während die regierende Volkspartei unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel mit einem klaren "Ja, aber ...

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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