Ausgabe Februar 2006

Links anziehen, rechts marschieren

Wenn die NPD oder die „Freien Nationalisten“ marschieren, sind alle mit dabei: Vom greisen „Nazi-Opa“ über den biederen Fahrlehrer und den klassischen Nazi-Skin bis hin zu langhaarigen Rechtsrockern und schließlich den urbanen „autonomen Nationalisten“ im Antifa-Outfit. Jeder findet in der Szene seinen Platz.

Lange Zeit galt die Zersplitterung des organisierten Rechtsextremismus vor allem als strukturelles Problem, heute dagegen ist die Heterogenität der einzelnen Gruppierungen im politischen Alltag selbstverständlich geworden. Mehr noch: Auffällig ist die strategische Etablierung vermeintlich „linker“ Symbole und Dresscodes neben den klassischen rechtsextremen Symbolwelten. Abbildungen von Rudolph Hess und Che Guevara, Reichsadler und „Palästinensertuch“, HJ-Scheitel und Ziegenbart – alles ist möglich.

In der Tat sind in den vergangen Jahren, spätestens seit dem Jahr 2000, linke Bewegungsthemen und -symbole zum festen Bestandteil des rechtsextremen Lifestyles geworden. Insbesondere in urbanen Ballungsgebieten erscheinen Rechte in linkem Outfit und diskutieren linke Themen wie Globalisierung, Antiimperialismus oder den Palästinakonflikt.

Diese Veränderung kann als das (Zwischen-) Ergebnis eines inhaltlichen und ästhetischen Wandlungs- und Ausdifferenzierungsprozesses in der rechtsextremen Szene selbst interpretiert werden.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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