Ausgabe Juni 2006

Mehrwertsteuer ad absurdum (1641-2007)

Die Kritik ebbt nicht ab in Sachen Mehrwertsteuer. Obwohl die große Koalition die erforderlichen Gesetzesänderungen bereits im Schnellverfahren verabschieden will, halten die dagegen gerichteten Proteste an – von allen Seiten des politischen Spektrums. Angesichts der zumeist kurzatmigen Kritik ist es jedoch sinnvoll, an die tiefer liegenden Kontinuitätslinien dieser Maßnahme zu erinnern.

Mit der für 2007 angekündigten Erhöhung der Mehrwertsteuer tritt die große Koalition in die über 350 Jahre alte Tradition deutscher Minister und Monarchen ein, ihren Bürgern oder Untertanen durch indirekte Steuern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Als einer der Ersten in dieser Tradition führte Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst von Brandenburg, im Jahre 1641 in großem Umfang indirekte Steuern in den preußischen Staaten ein. Allerdings waren die Ziele, die der Große Kurfürst mit der Einführung der Akzise zu erreichen versuchte, in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil dessen, was heute durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer erreicht würde.

Dabei waren die Anlässe für die Einführung der Akzise und die Erhöhung der Mehrwertsteuer keineswegs grundsätzlich verschieden. Auch 1641 lagen die Staatsfinanzen darnieder, und die Lage war noch um einiges dramatischer, als sie es heute ist.

Sie haben etwa 13% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 87% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Warnungen aus Weimar

von Daniel Ziblatt

Autokraten sind vielerorts auf dem Vormarsch. Ihre Machtübernahme ist aber keineswegs zwangsläufig. Gerade der Blick auf die Weimarer Republik zeigt: Oft ist es das taktische Kalkül der alten Eliten, das die Antidemokraten an die Macht bringt.