Ausgabe Februar 2007

Jedem seinen Hitler

Wie schon Roberto Benignis Das Leben ist schön wirft Dani Levys Film Mein Führer reflexhaft die Frage auf, ob man über Hitler lachen könne oder dürfe. Vor allem, wenn man sie absolut stellt, ist diese Frage eher nicht relevant, denn schon vor und während seiner Herrschaft wurde über ihn gelacht. Vielmehr scheinen bestimmte Formen der Komik in Hitler-Geschichten eher fatale Folgen zu haben. Er hätte, so hat Charlie Chaplin einmal gesagt, The Great Dictator nicht gemacht, wenn er damals (1939) schon die Wahrheit über die KZs gewusst hätte. Aber auch ohne diese Kenntnis hatte der große Komiker gespürt, dass der Slapstick, der seine eigene Kunstfigur konstituierte, sich für das Thema Holocaust nicht eignete. Sein Film bewahrt künstlerische Integrität dadurch, dass am Ende der Mensch Charlie Chaplin sowohl aus seiner Doppelrolle als auch aus seiner Funktion als Regisseur heraustritt und sich direkt an das Publikum wendet, mit einem moralischen, antifaschistischen Aufruf.

Dany Levy zitiert diese Szene. Der jüdische Schauspieler Adolf Grünbaum soll dem alternden und kränkelnden Führer dabei helfen, seine frühere rhetorische Faszinationsfähigkeit in einer großen Rede, mit der die letzten Kräfte für den verlorenen Krieg mobilisiert werden sollen, wenigstens noch einmal zu spielen.

Sie haben etwa 29% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 71% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema Nationalsozialismus

Warnungen aus Weimar

von Daniel Ziblatt

Autokraten sind vielerorts auf dem Vormarsch. Ihre Machtübernahme ist aber keineswegs zwangsläufig. Gerade der Blick auf die Weimarer Republik zeigt: Oft ist es das taktische Kalkül der alten Eliten, das die Antidemokraten an die Macht bringt.

Allzu perfekte Opfer

von Olga Bubich

„Das normale Vergessen ist der programmierte Zelltod des geistigen Lebens. Es formt die Erfahrung zu einer nützlichen Geschichte“, schreibt der amerikanische Schriftsteller Lewis Hyde. Da es keinen Grund gibt, ihm zu widersprechen, stellt sich eine nicht minder logische Frage – nützlich für wen?

Befreiung als Zusammenbruch

von Klaus-Dietmar Henke

Im August 1941 wandte sich Thomas Mann in einer seiner berühmten Radiobotschaften aus dem amerikanischen Exil wieder einmal an die deutschen Hörer. Die Sowjetunion schien fast besiegt, die Vereinigten Staaten befanden sich noch nicht im Krieg, Präsident Roosevelt und Winston Churchill hatten mit der Atlantik-Charta eben ihren Gegenentwurf zu Hitlers Pax Germanica der totalen Unterwerfung verkündet.

Kein »Lernen aus der Geschichte«

von Alexandra Klei, Annika Wienert

Wofür steht der 8. Mai 1945 in der deutschen Erinnerungskultur? Bereits zum 70. und zum 75. Jahrestags beschäftigten wir uns ausführlich mit dieser Frage. Ist dem jetzt, am 80. Jahrestag, etwas Neues hinzuzufügen?