Ausgabe August 2009

Sind Zeitungen systemrelevant?

Journalismus zwischen Morgen und Grauen

Ja, Zeitungen sind systemrelevant, und ich kann es beweisen. Sie sind systemrelevanter als die Hypo Real Estate, als die Deutsche und die Dresdner Bank. Sie sind sehr viel systemrelevanter als Opel und Arcandor. Die „Süddeutsche Zeitung“ ist systemrelevant, die FAZ ist es, der „Spiegel“, die „Zeit“, die „Welt“, die „Frankfurter Rundschau“ und die „taz“ sind es. Viele andere sind es auch. Das System, für die sie alle relevant sind, heißt nicht Marktwirtschaft, nicht Finanzsystem und nicht Kapitalismus, sondern Demokratie. Demokratie ist eine Gemeinschaft, die ihre Zukunft miteinander gestaltet. Und die Presse in all ihren Erscheinungsformen, gedruckt, gesendet, digitalisiert, ist eine ihrer wichtigsten Gestaltungskräfte. Der Beweis für die Systemrelevanz der Presse ist 177 Jahre alt, er beginnt 1832 und dauert bis heute. Er ergibt sich aus der Gesamtgeschichte der deutschen Demokratie.

Diese Geschichte der deutschen Demokratie beginnt 1832 auf dem Hambacher Schloss, bei der ersten deutschen Großdemonstration. Ihr Hauptorganisator war unser journalistischer Urahn Philipp Jakob Siebenpfeiffer, geboren im Revolutionsjahr 1789. Als die Regierung seine Druckerpresse versiegelte, verklagte er sie mit dem Argument, das Versiegeln von Druckerpressen sei genauso verfassungswidrig wie das Versiegeln von Backöfen.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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