Ausgabe Januar 2010

Schwarz-gelber Ringelpietz

So viel Sturm und Drang, so viel jugendlicher Elan, ja so viel Rekordeifer war selten in der Geschichte der Bundesrepublik: Mit Franz Josef Jung stellt diese Regierung den Minister mit der kürzesten Amtszeit. „Ich habe die Entscheidung von Franz Josef Jung,“ verkündete stolz die Kanzlerin, „vom Amt des Bundesverteidigungs-, äh, vom Amt des Bundesarbeitsministers zurückzutreten, mit Respekt und Hochachtung zur Kenntnis genommen.“ Ein solches Erinnerungsvermögen verdient all unsere Anerkennung, wusste Frau Merkel doch noch, dass der Fall Jung gerade ein nagelneues Ministerium übernommen hatte.

Mit Jungs Nachfolger im Amt des Afghanistan-Ministers, einem wahrhaft jungen, unglaublich dynamischen und bis in die frisch geölten Haarspitzen gestylten Mann, konnte sogar erstmals ein echter Semantiker für die Regierung gewonnen werden: „In Teilen Afghanistans gibt es fraglos kriegsähnliche Zustände“, erklärte Karl-Theodor. Hatte der alte Afghanistan-Minister immer nur was von „Einsatz“ gemurmelt, konnte der neue Mann, mit einem Satz, die Lage in den deutschen Aufbaugebieten entscheidend ändern: Karl-Theodor sieht Zustände, wo andere solche kriegen.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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