Ausgabe März 2010

Hartz IV oder Menschenwürde

Das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts über Hartz IV kam zur richtigen Zeit – mitten in einem erneut anschwellenden Bocksgesang über die angeblich zu hohen Hartz-IV-Leistungen. Erst kurz zuvor hatte Roland Koch – der seine Bezüge aus Steuergeldern eigentlich dafür erhält, das Wohl der seiner Regierung anvertrauten Menschen zu mehren, anstatt eine große Zahl von ihnen zu diffamieren – hart ausgeholt. Er hatte gefordert, dass jedem Hartz-IV-Empfänger als Gegenleistung für die staatliche Unterstützung zugemutet werden könne, eine – sprich: jede – Beschäftigung anzunehmen. Niemand dürfe, so Koch, das Leben mit Hartz IV „als angenehme Variante“ ansehen.

Binnen weniger Tage schlossen sich ihm die üblichen Verdächtigen an, vorneweg die „Bild“, die mit Schlagzeilen wie „Macht Hartz IV faul?“ oder „So wird bei Hartz IV abgezockt“ die Lufthoheit über die Kioske eroberte. Auch die Arbeitgebervertreter warfen ihre ollen Kamellen auf den Meinungsmarkt und behaupteten wieder einmal, Hartz IV sei so hoch, dass sich Arbeit nicht lohne. Diesen Bekundungen, deren Lautstärke sich umgekehrt proportional zur Sachkenntnis des Sozialgesetzbuches II, des Bundeskindergeld- und des Wohngeldgesetzes verhält, hat das Bundesverfassungsgericht nun am 9. Februar ein wegweisendes Urteil entgegengestellt.

Sie haben etwa 11% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 89% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1.00€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Globales Elend und die Diktatur der Superreichen

von Ute Scheub

Sie düsen in Privatjets um die Welt, um Immobilien und Konzernketten an sich zu reißen. Sie kaufen ganze Landschaften und Inseln, um sich dort im größten Luxus abzukapseln. Sie übernehmen Massenmedien, um sich selbst zu verherrlichen und gegen Arme und Geflüchtete zu hetzen.

Mythos grüne Digitalisierung

von Ingo Dachwitz, Sven Hilbig

Der Klang der Zukunft ist ein leises, elektrisches Dröhnen, das in den Knochen vibriert. Hier im Rechenzentrum herrscht niemals Stille. Es ist erfüllt von einem monotonen Chor mechanischer Flüstertöne.