Ausgabe Dezember 2010

Feindbild Jude, Hassobjekt Israel

Im Sommer dieses Jahres kam es in Hannovers Problembezirk Sahlkamp zu einem Vorfall, der zwar in den hiesigen Medien kaum Beachtung fand, aber von den in Deutschland lebenden Juden mit großer Bestürzung aufgenommen wurde. Als Ende Juni bei einem interkulturellen Stadtteilfest die jüdische Tanzgruppe „Chaverim“israelische Volkstänze aufführen wollte, riefen Kinder und Jugendliche arabischer Herkunft judenfeindliche Parolen und bewarfen die Tänzerinnen teilweise mit Kieselsteinen. Nach Ansicht von Maya Zehden, Sprecherin der jüdischen Gemeinde zu Berlin, ist dieser Vorfall von einer für die Juden in Deutschland beängstigenden, so noch nicht dagewesenen Qualität. Besondere Sorge bereitet ihr, dass die jugendlichen Täter keinerlei Differenzierung zwischen Juden, Israelis und den Akteuren des Nahostkonfliktes vorgenommen haben.

Obschon dieses Ereignis ein Einzelfall ist, verdeutlicht es, dass Antisemitismus in der Bundesrepublik auch heute noch ein ernst zu nehmendes Problem darstellt – auch wenn sich die Konfliktlinien inzwischen verändert haben. Der Vorfall steht für einen neuartigen Antisemitismus, der in steigendem Maße bei muslimischen Migranten zu beobachten ist. Judenfeindschaft scheint in deren Milieus wenig verpönt und äußert sich vornehmlich über die radikale Kritik am Staat Israel.

Sie haben etwa 10% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 90% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1.00€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Israel in der dekolonialen Matrix

von Eva Illouz

Manchmal kommt es auf der Weltbühne zu Ereignissen, die unmittelbar einen grundlegenden Bruch markieren. Der 7. Oktober 2023 war ein solches Ereignis. Die Hamas verübte Verbrechen gegen die Menschlichkeit, indem sie fast 1200 Israelis ermordete.

Kein »Lernen aus der Geschichte«

von Alexandra Klei, Annika Wienert

Wofür steht der 8. Mai 1945 in der deutschen Erinnerungskultur? Bereits zum 70. und zum 75. Jahrestags beschäftigten wir uns ausführlich mit dieser Frage. Ist dem jetzt, am 80. Jahrestag, etwas Neues hinzuzufügen?

Der Nahostkonflikt und die Kunst: Wider die Logik des Boykotts

von Saba-Nur Cheema, Meron Mendel

Spätestens seit dem 7. Oktober 2023, dem andauernden Krieg in Gaza und Libanon sind die Fronten verhärteter als je zuvor. Es scheint, als ob es nur eine binäre Wahl zwischen zwei Lagern gäbe. Und in jedem Lager sind es die Radikalen, die den Ton angeben.