Ausgabe April 2012

Kollektiver Bonapartismus?

Demokratie in der europäischen Krise

Wer angesichts der gegenwärtigen Krise Europas und der deutschen Dominanz von einem Wiedererstarken der Nationalstaaten redet oder gar den Mythos des Nationalcharakters wieder aufleben lässt, weiß nicht, wovon er spricht. Die europäische Realität sieht anders aus, in rechtlicher wie in politischer Hinsicht. Das nationale bildet heute mit dem europäischen Verfassungsrecht ein dichtes Kontinuum, das viele Unterschiede, aber keinen Dualismus von nationalem und internationalem Recht mehr kennt (wie ihn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinen Europa-Urteilen regelmäßig unterstellt).[1] Unspektakuläre Alltagsroutinen, juristischer und politischer Inkrementalismus haben schließlich ein komplexes System gesamteuropäischer Gewaltenteilung geschaffen, in das die nationalen Staatsgewalten mittlerweile fast lückenlos zu einem einzigen, großen Organismus integriert sind.

Dieser Organismus ist heute schon ein einheitliches System demokratischer Legitimation, wie das tschechische Verfassungsgericht in einem bahnbrechenden Urteil zum Lissabonner Vertrag festgestellt hat.[2] Insofern ist der Argumentation von Habermas zuzustimmen, wonach in den Verträgen an sich schon alles enthalten ist, um eine poststaatliche, demokratische Regierung in Europa zu begründen.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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