Ausgabe Januar 2013

Krummes Holz und aufrechter Gang

Grenzgängertum vom Schlage Reinhold Messners oder gar eines Felix Baumgartners, des Springers aus dem All, ist in unserer Erlebnisgesellschaft schon seit geraumer Zeit in Mode. Politisch die Seiten zu wechseln, kommt dagegen weniger gut an. Grenzgänger der Geschichte finden auf keiner Seite Pardon. Eine solche, zutiefst bewegende Geschichte eines politischen Grenzgangs erzählt der Historiker Heiko Haumann.

Hermann Diamanski, der von 1910 bis 1976 lebte, war gewiss keiner der ganz Großen der Geschichte und auch kein Held. Aber er war auch kein kleines Licht und kein Mitläufer. Als Jugendlicher in die KPD einzutreten, war das eine. Die Arbeit nach 1933 in der Illegalität fortzusetzen, das andere. Was also alles war Diamanski? Er war Seemann, Spanienkämpfer, Funktionshäftling in Auschwitz und Buchenwald, Polizeileutnant der Volkspolizei in der DDR, Verfolgter der Stasi, Mitarbeiter des US-Geheimdienstes, Zeuge im ersten Auschwitzprozess in Frankfurt am Main. Wie aber passt das alles, dieser wiederholte Seitenwechsel, in ein Leben hinein?

Diese Frage zu stellen, heißt, eine Antwort auf eine andere Frage zu geben: Warum erscheint uns dieses Leben heute so ungewöhnlich? Weil wir die Geschichte und ihre Personen längst eingeteilt haben nach dem Schema Rechts und Links, West und Ost, Gut und Böse. Das wirkliche Leben aber fügt sich selten den Einteilungen der Nachgeborenen.

Sie haben etwa 12% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 88% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1.00€)
Digitalausgabe kaufen (9.50€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Micha Brumlik: Ein furchtloser Streiter für die Aufklärung

von Meron Mendel

Als die Hamas am 7. Oktober 2023 Israel überfiel und anschließend der Krieg der Netanjahu-Regierung in Gaza begann, fragten mich viele nach der Position eines Mannes – nach der Micha Brumliks. Doch zu diesem Zeitpunkt war Micha bereits schwer krank. Am 10. November ist er in Berlin gestorben.

Warnungen aus Weimar

von Daniel Ziblatt

Autokraten sind vielerorts auf dem Vormarsch. Ihre Machtübernahme ist aber keineswegs zwangsläufig. Gerade der Blick auf die Weimarer Republik zeigt: Oft ist es das taktische Kalkül der alten Eliten, das die Antidemokraten an die Macht bringt.