Ausgabe Februar 2013

Putins Olympiade und die vergessenen Tscherkessen

Sotschi im Januar 2013: Russlands Präsident Wladimir Putin besucht den Ort, an dem in einem Jahr die Olympischen Winterspiele stattfinden werden, und nimmt ein Bad in der skisportbegeisterten Menge. „Sotschi 2014“, Putins Lieblingsprojekt, verspricht eine glanzvolle Veranstaltung zu seinem Ruhme und zur Ehre Russlands zu werden.

Für Putin wie für die russischen Wintersportler, die das Skigebiet unweit des Schwarzen Meeres lieben, ist die Gegend um Sotschi „urrussisches Gebiet“. Dass gerade hier vor 150 Jahren eines der blutigsten Kapitel in der langen Reihe russischer Eroberungen tragisch zu Ende ging, spielt in der russischen Öffentlichkeit keine Rolle. Was auch kein Wunder ist, geht es doch „nur“ um die Tscherkessen. Dass die Region um Sotschi deren letztes politisches Zentrum war, ist im stark nationalistischen Russland längst vergessen oder verdrängt. Dabei besiedelten die Tscherkessen einst weite Teile des Kaukasus, bevor sie und zahlreiche andere kaukasische Völker in einem jahrzehntelangen Eroberungskrieg im 18. und 19. Jahrhundert zu Hunderttausenden getötet oder ins Exil getrieben wurden. Dadurch aber wurden „nicht nur die Tscherkessen aus ihrem Land vertrieben, sondern auch ihr gesamtes kulturelles Erbe und sogar ihre Gräber brutal und vollständig zerstört.

Sie haben etwa 6% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 94% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (9.50€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Die Rückkehr des Besatzers

von Sergej Lebedew

Vor fünfzig Jahren, am 1. August 1975, wurde mit der Unterzeichnung des Abkommens von Helsinki die Unverletzlichkeit der nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Grenzen anerkannt. Wie wir wissen, dauerte die Ordnung von Helsinki etwa fünfzehn Jahre. Die Sowjetunion hörte auf zu existieren, und die Länder Ost- und Mitteleuropas fanden ihren Weg zu Freiheit und Eigenstaatlichkeit.