Ausgabe November 2014

Vom »Unrechtsstaat« und der Tragödie des Parteikommunismus

War die DDR ein „Unrechtsstaat“? Im Zuge der Koalitionsverhandlungen in Thüringen ist, just 65 Jahre nach Gründung der DDR, eine alte Debatte neu entbrannt. Dabei handelt es sich bei dem Begriff des Unrechtsstaats um eine ausgesprochen problematische Vokabel. Zweifellos war die DDR kein Rechtsstaat, sondern, sogar nach ihrem Selbstverständnis, eine Diktatur, nämlich die des Proletariats. Der Begriff des Unrechtsstaats geht jedoch weit darüber hinaus und stellt die historische Legitimation dieses Staates seit seinen Anfängen in Frage. Daher die berechtigte Kritik an diesem Begriff, etwa von Gregor Gysi.

Dennoch sind jetzt wieder all jene auf den Barrikaden, die der Linkspartei seit 25 Jahren vorwerfen, sich nicht hinreichend mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen. Dabei hat die Partei in vielen Manifesten ihre Distanzierung insbesondere von ihrer stalinistischen Periode zum Ausdruck gebracht, am sichtbarsten zuletzt im Oktober 2013, als der Parteivorstand eine „Gedenktafel am Karl-Liebknecht-Haus“ beschloss. Der erste Punkt des Beschlusses lautet: „Im Gedenken an die Kommunistinnen und Kommunisten, Antifaschistinnen und Antifaschisten, die dem großen Terror in der Sowjetunion zum Opfer fielen, wird am Berliner Karl-Liebknecht-Haus eine Gedenktafel angebracht.

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (3.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Die Rückkehr des Besatzers

von Sergej Lebedew

Vor fünfzig Jahren, am 1. August 1975, wurde mit der Unterzeichnung des Abkommens von Helsinki die Unverletzlichkeit der nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Grenzen anerkannt. Wie wir wissen, dauerte die Ordnung von Helsinki etwa fünfzehn Jahre. Die Sowjetunion hörte auf zu existieren, und die Länder Ost- und Mitteleuropas fanden ihren Weg zu Freiheit und Eigenstaatlichkeit.