Ausgabe Juni 2020

Wie die Ungerechtigkeit triumphierte

22. Oktober 1986 – Präsident Ronald Reagan unterzeichnet das Steuerreformgesetz von 1986

Bild: US-Präsident Ronald Reagan unterzeichnet das Steuerreformgesetz von 1986, 22.10.1986 (White House Photo, SSA History Archives, Public Domain)

Immer mehr Menschen sind der Ansicht, dass die Wirtschaft in den entwickelten Ländern nicht zum Wohle der Arbeiter- und teilweise ebenso wenig zu dem der Mittelschicht funktioniert. Diese Auffassung wird vermutlich nirgends so vehement vertreten, und das aus guten Gründen, wie in den Vereinigten Staaten – wo das Einkommen der Arbeiterschicht seit 1980 stagniert, wo die Lebenserwartung fällt, wo die Ultrareichen weniger Steuern zahlen als Lehrer und einfache Angestellte, und wo junge Erwachsene ihr Erwerbsleben mit enormen Schulden beginnen.

Wie aber kam die Regierung eines Landes, das jahrzehntelang hohe Einkommen mit 90 Prozent besteuert hatte, Mitte der 1980er Jahre auf den Gedanken, dass stattdessen 28 Prozent besser wären? Wie kam es, dass Ronald Reagan an jenem 22. Oktober 1986 den Tax Reform Act durch seine Unterschrift in Kraft setzen konnte, womit die USA, die jahrelang Vorreiter bei der quasikonfiskatorischen Besteuerung hoher Einkommen gewesen waren, alsbald den niedrigsten Spitzensteuersatz in der industrialisierten Welt ansetzen würden? Und wie kam es, dass nach drei Wochen Plenardebatte der Gesetzentwurf im Senat mit 97 zu 3 Stimmen angenommen wurde? Denn die Demokraten Ted Kennedy, Al Gore, John Kerry und Joe Biden stimmten damals alle enthusiastisch mit Ja.

Dabei war das Gesetz in der Bevölkerung keineswegs sonderlich populär.

Juni 2020

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