Ausgabe Oktober 2020

Libanon: Proporzdemokratie am Ende?

Demonstranten marschieren am Samstag, den 12. September 2020, zum Präsidentenpalast und skandieren regierungsfeindliche Parolen in Beirut, Libanon.

Bild: imago images / VXPictures.com

Mit einem derart heftigen Schlag hatte selbst im leidgeplagten Libanon niemand gerechnet: Am 4. August erschütterte eine gewaltige Explosion Beirut, nachdem sich im Hafen drei Tonnen Ammoniumnitrat entzündet hatten. Die Katastrophe hinterließ einen 200 Meter breiten Krater und zerstörte weite Teile der libanesischen Hauptstadt. Mehr als 190 Menschen verloren ihr Leben; über 6500 wurden verletzt.

Das Unglück ereignete sich vor dem Hintergrund einer ganzen Kette existenzbedrohender Krisen, die das Land in seinen Grundfesten erschüttern: Wirtschaftskrise, Flüchtlingskrise, Coronakrise, Staatskrise. In den vergangenen Monaten wurden deshalb die Rufe der Bevölkerung nach Reformen immer lauter. Mit Ausnahme der Anhänger der einflussreichen islamistisch-schiitischen Bewegung Hisbollah und anderer kleiner Fraktionen gehen die Libanesen seit Monaten auf die Straße und skandieren „Thawra!“ („Revolution!“). Die Demonstrierenden wenden sich insbesondere gegen die grassierende Korruption und das eklatante Staatsversagen – allesamt Symptome eines überaus komplexen politischen Systems und der tiefgreifenden Einmischung anderer Staaten.

Adib: Architekt des Übergangs?

Nun soll ein Diplomat das kleine Land im Nahen Osten aus dem Krisental führen: Am 31. August wurde überraschend Mustapha Adib zum Chef einer Übergangsregierung ernannt.

Oktober 2020

Sie haben etwa 9% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 91% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Druckausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Micha Brumlik: Ein furchtloser Streiter für die Aufklärung

von Meron Mendel

Als die Hamas am 7. Oktober 2023 Israel überfiel und anschließend der Krieg der Netanjahu-Regierung in Gaza begann, fragten mich viele nach der Position eines Mannes – nach der Micha Brumliks. Doch zu diesem Zeitpunkt war Micha bereits schwer krank. Am 10. November ist er in Berlin gestorben.

Warnungen aus Weimar

von Daniel Ziblatt

Autokraten sind vielerorts auf dem Vormarsch. Ihre Machtübernahme ist aber keineswegs zwangsläufig. Gerade der Blick auf die Weimarer Republik zeigt: Oft ist es das taktische Kalkül der alten Eliten, das die Antidemokraten an die Macht bringt.