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Die Anti-Atom-Bewegung in Deutschland gilt noch immer weithin als progressiv, links und gesellschaftskritisch. Der Kampf gegen die Atomkraft richtet sich gegen die Auswüchse des kapitalistischen Systems, das in seiner Profitgier „über Leichen“ geht. Auch die wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte der Anti-Atom-Bewegung folgt diesem Narrativ. Sie beginnt zumeist mit dem Kampf gegen das badische Atomkraftwerk Wyhl im Jahr 1975 und spinnt den Faden weiter über Brokdorf, Kalkar, Gorleben und Wackersdorf. Diese Betrachtungsweise verstellt jedoch den Blick darauf, dass rechte und rechtsextreme Kreise bereits in den 1960er Jahren großen Einfluss in und auf Anti-AKW-Bürgerinitiativen hatten und mitunter sogar tonangebend waren.
Markstein der Erzählung von der progressiven Anti-Atom-Bewegung bildet die Besetzung eines AKW-Bauplatzes im baden-württembergischen Whyl am 23. Februar 1975. Die Platzbesetzer*innen sahen sich damals als alemannische Trotzköpfe und Rebellen, die sich erheben – in einer demokratischen Traditionslinie, die an die Freiheitsbewegungen nach 1848 anknüpft. Der Liedermacher Walter Mossmann stiftete den Zusammenhang und stimmte dazu „In Mueders Stübele“ an.[1]
Diese Betrachtungsweise fand Eingang in die historische Aufarbeitung der Anti-Atom-Bewegung. So schloss etwa der letzte Band von Hellmut G. Haasis‘ „Spuren der Besiegten“ von 1984 mit der aufkeimenden Anti-AKW-Bewegung ab.